16.09.2006 Wirtschaftsrecht

OGH: An den Nachweis der Unterscheidungskraft iSv $ 4 Abs 2 Markenschutzgesetz sind um so höhere Anforderungen zu stellen, je höher das Freihaltebedürfnis ist


Schlagworte: Markenrecht, Unterscheidungskraft, Kennzeichen, Freihaltebedürfnis, Registrierungshindernis, bösgläubig, Wettbewerbsrecht
Gesetze:

$ 4 Markenschutzgesetz, § 34 Markenschutzgesetz, § 9 Abs 3 UWG

In seinem Beschluss vom 20.06.2006 zur GZ 4 Ob 89/06a hat sich der OGH mit dem Markenrecht und der Frage befasst, wie sich die langdauernde Nutzung eines Zeichens (Dekor "grüngeflammt"; als Bildmarke für die Fa Gmundner Keramik registriert) durch mehrere Betriebe einer Region auf markenrechtliche Unterlassungsansprüche auswirkt:

OGH: Eine Marke ist nicht unterscheidungskräftig iSv von § 4 Abs 1 Z 3 Markenschutzgesetz, wenn sie nicht geeignet ist, die Ware, für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Diese Unterscheidungskraft fehlt, wenn ein bestimmtes Dekor in einer Region allgemein verwendet wird und daher gerade nicht als Kennzeichen eines bestimmten Unternehmens verstanden werden kann. Das war hier nach den Feststellungen zumindest in der Vergangenheit der Fall. Damit liegt grundsätzlich das Registrierungshindernis nach § 4 Abs 1 Z 3 Markenschutzgesetz vor. Der Einwand nach § 4 Abs 1 Z 3 (oder 4) leg cit schlägt aber nach § 4 Abs 2 Markenschutzgesetz nicht durch, wenn das Zeichen infolge seiner Benutzung Unterscheidungskraft im Inland erworben hat. An den Nachweis der Unterscheidungskraft sind um so höhere Anforderungen zu stellen, je höher das Freihaltebedürfnis ist. Im konkreten Fall ergibt sich das Freihaltebedürfnis insbesondere aus der Tatsache, dass das Dekor noch immer von anderen Unternehmen in der Region verwendet wird und eine Monopolisierung daher nicht unbedenklich ist. Ob Unterscheidungskraft iSv § 4 Abs 2 Markenschutzgesetz vorliegt, ist eine aufgrund der festgestellten (bescheinigten) Tatsachen zu beurteilende Rechtsfrage.

Zu dem von den Beklagten behaupteten sittenwidrigen (bösgläubigen) Markenrechtserwerb iSv § 34 MSchG: Grundlage für das Unwerturteil ist hier die Absicht des Anmelders, eine Waffe in die Hand zu bekommen, um ein von einem Mitbewerber aufgebautes System zu stören. Diese Absicht muss nicht der einzige Beweggrund des Anmelders sein, es genügt, dass es sich um ein wesentliches Motiv handelt. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt allerdings darin, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Anmeldung für ihr Zeichen bereits Verkehrsgeltung erlangt hatte. Daher war sie unabhängig von der Markenanmeldung nach § 9 Abs 3 UWG geschützt. Diese Bestimmung erfasst auch nicht registrierte Warenzeichen, die Verkehrsgeltung erlangt haben. Aus diesem Grund kann aber die Anmeldung der Marke - mangels besonderer, hier nicht behaupteter Umstände - von vornherein nicht bösgläubig sein. Denn die Klägerin monopolisiert das strittige Dekor nicht durch die Anmeldung, sie sichert damit nur ihre bereits erlangte wettbewerbsrechtliche Position auch markenrechtlich ab.