29.10.2018 Strafrecht

OGH: Begehung im Familienkreis – zur Privilegierung iSd § 166 StGB

Eine Einschränkung der Privilegierung in Bezug auf Fälle, in denen der Täter die Ehe in Wahrheit allein zum Zwecke der Deliktsbegehung sowie zeitlich begrenzt bis zum Eintritt des gewollten Erfolgs anstrebt und durch Täuschung darüber erreicht, findet im äußersten Wortsinn des § 166 StGB keine Deckung; einer entsprechenden Lückenschließung durch teleologische Reduktion steht § 1 StGB entgegen


Schlagworte: Begehung im Familienkreis
Gesetze:

 

§ 166 StGB, § 72 StGB

 

GZ 14 Os 71/18z, 03.08.2018

 

OGH: § 166 StGB privilegiert – mit Ausnahme der hier nicht relevanten, in §§ 129 Z 4, 131 StGB genannten Fälle – (auch) die Begehung von Diebstählen im Familienkreis durch geringere Strafdrohungen sowie durch die Anordnung, dass der Tatverdächtige nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen ist und stellt dabei darauf ab, dass Täter und wirtschaftlich Geschädigter zur Tatzeit Angehörige iSd § 72 StGB sind. Bei nahen Angehörigen, wie (hier) Ehegatten, kommt es – wie klarstellend anzumerken ist – nicht zusätzlich darauf an, dass diese zur Tatzeit in Hausgemeinschaft leben.

 

Diese Voraussetzungen liegen in Ansehung der – der Angeklagten weiters angelasteten, nach den Verdachtsannahmen des BG Döbling während aufrechter Ehe zum Nachteil ihres Ehemannes begangenen – Wegnahme von drei Goldbarren in nicht näher festgestelltem Wert vor. Ihre Motive für die Eheschließung ändern daran – entgegen der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Rechtsauffassung – nichts.

 

Soweit das BG seine gegenteilige Ansicht auf eine einzelne, in der Literatur übrigens kritisierte Entscheidung des OGH (12 Os 81/98) stützt, verkennt es zunächst, dass dieser ein anders gelagerter Sachverhalt, nämlich die Begehung eines – hier nicht konstatierten – Betrugs, dessen wesentliches Planelement (neben der Vortäuschung der spezifischen Verwendung einer erschlichenen Mitgift va und in erster Linie) die arglistige Vorspiegelung eines ernsthaften Ehewillens war, zugrunde lag.

 

Davon abgesehen findet – losgelöst von dieser Fallkonstellation – eine Einschränkung der Privilegierung in Bezug auf Fälle, in denen der Täter die Ehe in Wahrheit allein zum Zwecke der Deliktsbegehung sowie zeitlich begrenzt bis zum Eintritt des gewollten Erfolgs anstrebt und durch Täuschung darüber erreicht, im äußersten Wortsinn des § 166 StGB keine Deckung. Einer entsprechenden Lückenschließung durch teleologische Reduktion steht § 1 StGB entgegen.

 

Die Annahme der Nichtanwendbarkeit von § 166 Abs 1 StGB verletzt demnach das Gesetz in dieser Bestimmung.