OGH: Fallgruppe Rechtsbruch des § 1 UWG iZm Anbieten / Ausüben des Gewerbes iSd § 1 Abs 4 GewO
Dass das Anbieten dem Ausüben nach § 1 Abs 4 GewO (rechtlich) gleichzuhalten ist, ändert nichts daran, dass es sich in der Sache um zwei verschiedene Verhaltensweisen handelt, die weder miteinander ident sind noch im Verhältnis von Mehr und Weniger zueinander stehen
§ 1 UWG, § 1 Abs 4 GewO
GZ 4 Ob 171/07m, 02.10.2007
Die Beklagte warb in Prospekten für die Anfertigung von "4 Passfotos nach EU-Richtlinien", ohne über eine entsprechende Gewerbeberechtigung zu verfügen. Tatsächlich wurden die Fotos in Automaten hergestellt, die ein dazu berechtigtes Unternehmen in den Verkaufsräumen der Beklagten betrieb.
OGH: Nach der wettbewerbsrechtlichen Rechtsprechung zum Begriff des "Anbietens" iSd § 1 Abs 4 GewO ist maßgebend, ob der belangte Mitbewerber die von ihm angekündigte Leistung tatsächlich selbst erbringt. Das ist nicht der Fall, wenn er sich dafür eines befugten (Sub-)Unternehmens bedient oder - wie hier - nur für Leistungen eines Dritten wirbt.
Der Revisionsrekurs zeigt zwar zutreffend auf, dass der VwGH das "Anbieten" iSv § 1 Abs 4 GewO anders als der OGH nach dem Wortlaut (dem Inhalt) der strittigen Ankündigung beurteilt. Das gilt auch für die Frage, wer aufgrund einer Ankündigung als anbietende Person anzusehen ist. Auf die hinter der Ankündigung stehende "Absicht" - und damit wohl auch auf den tatsächlichen Sachverhalt - kommt es danach nicht an. Auf dem Boden dieser Rechtsprechung hätte die Beklagte hier die strittige Leistung daher tatsächlich selbst "angeboten".
Auf diese (strengere) Rechtsprechung des VwGH kommt es aber aus zwei Gründen nicht an. Zum einen ist das Begehren des klagenden Schutzverbands lediglich darauf gerichtet, der Beklagten das Ausüben des Gewerbes zu verbieten. Das ist - auch nach der Rechtsprechung des VwGH - ein aliud gegenüber dem bloßen Anbieten. Dass das Anbieten dem Ausüben nach § 1 Abs 4 GewO (rechtlich) gleichzuhalten ist, ändert nichts daran, dass es sich in der Sache um zwei verschiedene Verhaltensweisen handelt, die weder miteinander ident sind noch im Verhältnis von Mehr und Weniger zueinander stehen. Ein Verbot des Ausübens könnte daher keinesfalls ausgesprochen werden. Zum anderen kann von einem sachlich nicht gerechtfertigten Vorsprung durch eine Gesetzesverletzung nur dann gesprochen werden, wenn das gesetzwidrige Handeln geeignet ist, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zu bewirken. Dieses Prinzip der "Spürbarkeit" gilt auch bei der (möglichen) Verletzung gewerberechtlicher Vorschriften: In diesen Fällen kann der sachlich nicht gerechtfertigte Vorsprung etwa darin bestehen, dass der Verletzer eine Geschäftstätigkeit ohne die gesetzlich geforderten Voraussetzungen nicht ausüben dürfte oder dass er sich durch das Unterbleiben der durch Gesetz oder Auflage geforderten Maßnahmen Aufwendungen erspart und so sein Angebot günstiger als ein gesetzestreuer Mitbewerber auf den Markt bringen kann. Ein solcher Vorsprung besteht nur, wenn das Verhalten geeignet ist, eine nicht unerhebliche Nachfrageverlagerung zu bewirken. Im hier zu beurteilenden Fall lag eine (mögliche) Gesetzesverletzung, wenn überhaupt, nur darin, dass die Beklagte nicht ausdrücklich darauf hinwies, dass nicht sie selbst, sondern ein dazu befugter Dritter die strittige Leistung erbringen werde. Dadurch hat sich die Beklagte keine relevanten Aufwendungen erspart. Auch am "Anlockeffekt" des außergewöhnlich günstigen Angebots hätte sich nichts geändert, wenn die Beklagte auf die tatsächlichen Umstände hingewiesen hätte. Selbst wenn die Beklagte gegen § 1 Abs 4 GewO verstoßen haben sollte, wäre diese Gesetzesverletzung daher nicht geeignet gewesen, den Wettbewerb in spürbarer Weise zu beeinflussen.