OGH: Führen Einberufungsmängel zur Nichtigkeit von Beschlüssen der Mitgliederversammlung iSd § 7 VerG?
Der Beschluss eines Vereinsorgans kann auch wegen der Art seines Zustandekommens gegen die guten Sitten verstoßen und deshalb nichtig sein, enthält doch § 7 VerG keine Beschränkung auf eine inhaltliche Sittenwidrigkeit des Beschlusses eines Vereinsorgans
§ 7 VerG
GZ 10 Ob 36/07b, 10.06.2008
OGH: Aus § 7 VerG folgt, dass gesetz- oder auch statutenwidrige Beschlüsse eines Vereins bis zu ihrer erfolgreichen Anfechtung wirksam sind, es sei denn Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten erforderten die absolute Nichtigkeit des Beschlusses. Die Bestimmung orientiert sich, was die Differenzierung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit betrifft, an den §§ 195 ff AktG, die Fehlerhaftigkeiten der Hauptversammlungsbeschlüsse von Aktionären (und hiezu erforderlicher Sonderbeschlüsse) in Nichtigkeits- und in Anfechtungsgründe einteilen. Details dieser Regelungen wurden aber nicht übernommen. § 7 VerG bezieht sich nicht nur auf Beschlüsse der Mitgliederversammlung, sondern auf Beschlüsse aller Vereinsorgane. Die Heilung nichtiger Beschlüsse - wie sie zum Beispiel § 200 Abs 2 AktG für einen wegen eines Einberufungsmangels (§ 199 Abs 1 Z 1 AktG) nichtigen Hauptversammlungsbeschluss vorsieht - normiert das VerG nicht.
Nichtige Beschlüsse kommen von Anfang nicht gültig zustande und sind daher rechtsunwirksam. Auf die (absolute) Nichtigkeit eines Beschlusses eines Vereinsorgans kann sich jedermann berufen. Die Einführung bloß anfechtbarer Vereinsbeschlüsse erfolgte aus Gründen der Rechtssicherheit.
Der Gesetzgeber hat der Rechtsprechung die Konkretisierung überlassen, wann eine Nichtigkeit eines Beschlusses eines Vereinsorgans vorliegt, insbesondere weil dies die guten Sitten gebieten.
Im Anlassfall wird ein Einberufungsmangel geltend gemacht. Der Beschluss eines Vereinsorgans kann auch wegen der Art seines Zustandekommens gegen die guten Sitten verstoßen und deshalb nichtig sein, enthält doch § 7 VerG keine Beschränkung auf eine inhaltliche Sittenwidrigkeit des Beschlusses eines Vereinsorgans.
Wiederholt hat der OGH ausgesprochen, dass für eine wirksame Beschlussfassung einer Personenmehrheit - wie einem Verein - ganz allgemein der Grundsatz anerkannt wird, dass selbst mangels diesbezüglicher positiv-rechtlicher Vorschriften oder organisatorischer Regelungen über die zu beachtenden Förmlichkeiten bei sonstiger Unwirksamkeit der Beschlussfassung allen an der Mitwirkung bei der Willensbildung berufenen Personen (Mitgliedern) die Tatsache der beabsichtigten Beschlussfassung rechtzeitig mitgeteilt und ihnen auch Gelegenheit zur sachlichen Stellungnahme geboten werden muss. Die Mitgliederversammlung eines Vereins als Willensbildungsorgans ist das oberste Vereinsorgan. Bei einem Personenverband bedeutet die Nichteinladung stimmberechtigter Mitglieder zu einer beschließenden Versammlung einen besonders schweren Verstoß gegen diese tragenden Grundsätze des Verbandsrechts. Jedenfalls dann, wenn beinahe die Hälfte der Anzahl der Mitglieder nicht eingeladen wurde, gebietet es diese besondere und grobe Rechtswidrigkeit, wodurch nicht einmal der Anschein rechtmäßigen Handels gewahrt ist, bei trotzdem durchgeführter Abstimmung in der bedeutenden Angelegenheit der Wahl zum Leitungsorgan des Vereins durch dessen Mitgliederversammlung die Nichtigkeit des Beschlusses oder der Wahl anzunehmen, es sei denn, dass alle Mitglieder erschienen oder vertreten waren und der Durchführung der Versammlung nicht widersprochen haben.