14.10.2007 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Wenn einer der beiden Arbeitnehmer - für den anderen erkennbar - seine Arbeitspflicht grob verletzt und gar nicht am Arbeitsort anwesend ist, muss dem anderen auch ohne ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers klar sein, dass zumindest er seinen Arbeitsplatz nicht verlassen darf, weil sonst der gesamte Arbeitsvorgang - abgesehen von der technischen Überwachung - völlig unbeaufsichtigt abläuft und niemand (!) dabei anwesend ist


Schlagworte: Entlassung, unbefugtes Verlassen der Arbeit
Gesetze:

§ 82 lit f GewO

In seinem Erkenntnis vom 08.08.2007 zur GZ 9 ObA 1/07y hat sich der OGH mit dem Entlassungsgrund des unbefugten Verlassens der Arbeit befasst:

Bei der Beklagten waren der Kläger als Lagerarbeiter und sein Bruder als Haustechniker beschäftigt. Im Zuge einer Lageroptimierung war es dem Haustechniker ausdrücklich verboten, seinen Arbeitsplatz zu verlassen. Aufgabe des Klägers als Hilfskraft, war es, aus sicherheitstechnischen Gründen beim Techniker zu bleiben, weil es für diesen gefährlich wäre, allein Störungen zu beheben. Sowohl der Kläger als auch der Bruder verließen ihren Arbeitsplatz.

Das Berufungsgericht qualifizierte das Verhalten des Klägers als unbefugtes Verlassen der Arbeit, erachtete aber den Entlassungsgrund des § 82 lit f GewO, 1. Tatbestand, deshalb als nicht verwirklicht, weil das Dienstversäumnis des Klägers nicht die von der Rechtsprechung geforderte Erheblichkeit aufweise. Maßgebend dafür ist die Überlegung es Gerichts, dass der Kläger ja nur zur Absicherung des Technikers eingesetzt war, dem er bei der manuellen Beseitigung allfälliger Störungen behilflich sein sollte. Da aber der Techniker ebenfalls nicht an seinem Arbeitsplatz anwesend gewesen sei und Störungen daher nur aus der Ferne quittiert, nicht aber manuell beseitigt habe, habe ohnedies keine Notwendigkeit für seinen Einsatz bestanden.

Dazu der OGH: Der Kläger hätte unter den gegebenen Umständen gegenüber seinem Bruder zumindest auf die Anwesenheit am Arbeitsplatz drängen müssen. Dass sich sein Bruder während der gesamten Umlagerung nicht auf seinem Arbeitsplatz aufhielt, wurde schließlich durch die Komplizenschaft des Klägers ermöglicht bzw zumindest beträchtlich erleichtert, weil ein derart pflichtverletzendes Verhalten zweier gemeinsam für einen vergleichbaren Arbeitsvorgang eingesetzter Arbeitnehmer weitgehend risikolos regelmäßig nur im Einvernehmen erfolgen kann. Drängt einer der beiden auf die ordnungsgemäße Pflichterfüllung, wird es für den anderen ungleich schwerer, wenn nicht sogar unmöglich, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. Gerade weil es sich beim Techniker, dem der Kläger beigegeben war, um seinen Bruder handelte, war es ihm jedenfalls auch zumutbar, auf die Einhaltung der Arbeitspflicht zu drängen.