29.12.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Unerbetene Nachrichten - stellt eine Informationsemail bzgl der Neueintragung eines Sachverständigen für ein bestimmtes Fachgebiet in die gerichtliche Sachverständigenliste eine unzulässige Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung nach § 107 Abs 2 Z 1 TKG dar?

Der Begriff "zu Zwecken der Direktwerbung" iSd § 107 Abs 2 Z 1 TKG ist weit auszulegen; die Gestaltung als Newsletter oder Informations-Mail hindert die Qualifikation als Werbung nicht


Schlagworte: Telekommunikationsrecht, unerbetene Nachrichten, Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung, Newsletter, Informationsemail
Gesetze:

§ 107 TKG

GZ 7 Ob 168/09w, 30.09.2009

OGH: Nach § 107 Abs 2 TKG, deren Zweck im Schutz der Privatsphäre zu erblicken ist, bedarf die Zusendung elektronischer Post zu Zwecken der Direktwerbung (Z 1) oder an mehr als 50 Empfänger (Z 2) der vorherigen Einwilligung des Empfängers. Die Qualifikation als "unerbetene Nachricht" setzt demnach voraus, dass die Zusendung der E-Mail des Beklagten entweder zu Werbezwecken erfolgte oder eine "Massensendung" darstellte.

Wie der OGH (auch schon zur wortgleichen Vorgängerbestimmung des § 101 Abs 1 TKG 1997), sich an den Gesetzesmaterialien orientierend, bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist der Begriff "zu Zwecken der Direktwerbung" weit auszulegen. Er erfasst jede elektronische Post, die für ein bestimmtes Produkt, aber auch für eine bestimmte Idee (einschließlich politischer Anliegen) wirbt oder dafür Argumente liefert. Darunter fällt auch jede Maßnahme, die dazu dient, auf ein eigenes Bedürfnis und die Möglichkeit seiner Befriedigung hinzuweisen, wobei auch schon die Anregung zur Inanspruchnahme bestimmter Leistungen diesem Begriff unterstellt werden kann. Dabei hindert die Gestaltung als Newsletter oder Informations-Mail die Qualifikation als Werbung nicht. Ausgehend von einer solchen, im Lichte der Erfahrungen und Bedürfnisse der Praxis notwendigen weiten Interpretation des Begriffs der "Direktwerbung", ist der E-Mail des Beklagten entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts Werbecharakter iSd § 107 Abs 2 Z 1 TKG beizumessen. Bei lebensnaher Betrachtung kann nicht bezweifelt werden, dass der Beklagte damit nicht nur ein Informationsinteresse im Rahmen der Rechtspflege befriedigen wollte, sondern dabei insbesondere auch seine wirtschaftlichen Vorteile im Auge hatte. Der Hinweis auf die "Möglichkeit der Erstellung von Befund und Gutachten" als Sachverständiger muss jedenfalls auch unter einem kommerziellen Aspekt gesehen werden, wobei sich aus der E-Mail keine Einschränkung auf gerichtliche Gutachtensaufträge ergibt, sondern - nach dem objektiven Erklärungswert - auch Privatgutachten gleichermaßen angeboten wurden. Im Übrigen liegt aber ohnehin auch die Erstellung von gerichtlichen Sachverständigengutachten im kommerziellen Interesse des Beklagten. Da demnach ein kommerzieller Aspekt der "Informations-Mail" über die Tätigkeit des Beklagten als Sachverständiger zu bejahen ist, stehen die Überlegungen des Berufungsgerichts, einem Sachverständigen sei nach den Standesregeln zwar Werbung verboten, es sei ihm aber erlaubt, über seine Neueintragung in die Sachverständigenliste zu informieren, der Qualifikation als unzulässige Direktwerbung iSd § 107 Abs 2 TKG nicht entgegen.

Die bloße Angabe der E-Mail-Adresse ist weder als ausdrückliche noch als konkludente Zustimmung zu werten, Werbesendungen empfangen zu wollen.