OGH: IESG und "Stundungsvereinbarung" des Arbeitgebers hinsichtlich der Beendigungsansprüche
Dem Anerkenntnis verjährter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Dienstgeber und dessen Erklärung, auf den Verjährungseinwand zu verzichten, kommt zwar im Verfahren gegen den Dienstgeber Relevanz zu, nicht jedoch bei der Entscheidung über das Zurechtbestehen von Ansprüchen auf Insolvenz-Ausfallgeld
§ 1 Abs 2 IESG, § 879 ABGB
GZ 8 ObS 14/07b, 30.08.2007
Mit schriftlicher Vereinbarung vom 28. 12. 2001 wurde das Dienstverhältnis einvernehmlich zum 31. 12. 2001 mit einer verbindlichen Zusage des Dienstgebers zur Wiedereinstellung des Klägers innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses aufgelöst. Gleichzeitig wurde vereinbart, dass für den Zeitraum dieses Jahres die Zahlung der Beendigungsansprüche (Abfertigung, Entschädigung für Resturlaub und Überstunden) ausgesetzt werde, der Kläger jedoch die Auszahlung zu jedem Zeitpunkt verlangen könne; Diese Vereinbarung wurde in der Folge einvernehmlich jährlich um je ein weiteres Jahr, zuletzt mit Schreiben vom 4. 1. 2005 bis 31. 12. 2005 verlängert. Der Kläger machte bis zur Eröffnung des Konkurses über die nunmehrige Gemeinschuldnerin von der Wiedereinstellungszusage keinen Gebrauch.
OGH: Gem § 1 Abs 2 IESG sind nur jene Ansprüche gesichert, die aufrecht, nicht verjährt und nicht ausgeschlossen sind. Hiebei handelt es sich nach stRsp um eine von Amts wegen zu prüfende Anspruchsvoraussetzung, sodass die Verjährung, aber auch der Verfall von Ansprüchen auch ohne darauf abzielende Einwendungen wahrzunehmen ist. Die hier geltend gemachten Beendigungsansprüche, nämlich Abfertigung und Urlaubsersatzleistung entstehen mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Die zwischen dem Kläger und der nunmehrigen Gemeinschuldnerin getroffene Vereinbarung ist als "volle" Stundung iSd Hinausschiebung der Fälligkeit aufzufassen. Schon daraus, dass der Kläger nach der Vereinbarung berechtigt war, die Beendigungsansprüche jederzeit "zu verlangen", also "fällig zu stellen", ergibt sich das Hinausschieben der Fälligkeit. Eine Vereinbarung, bis zu welchem Zeitpunkt der Kläger die Wiedereinstellungszusage anzunehmen hätte, wurde nicht getroffen, sondern vielmehr die Vereinbarung samt Wiedereinstellungszusage mehrfach verlängert, ohne dass es je zu einer Fälligstellung der Beendigungsansprüche oder zu einer Wiedereinstellung gekommen wäre. Nach stRsp kommt dem Anerkenntnis verjährter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis durch den Dienstgeber und dessen Erklärung, auf den Verjährungseinwand zu verzichten, zwar im Verfahren gegen den Dienstgeber Relevanz zu, nicht jedoch bei der Entscheidung über das Zurechtbestehen von Ansprüchen auf Insolvenz-Ausfallgeld. Diese Rechtsprechung beruht auch auf der Überlegung, dass Vereinbarungen, bei deren Abschluss die Parteien damit rechnen mussten, sie gingen im Ergebnis zu Lasten des beklagten Fonds, gem § 879 Abs 1 ABGB ungültig sind. Außerhalb der Bindungsanordnung des § 7 Abs 1 IESG sind daher auch dann, wenn eine anfechtbare Rechtshandlung nicht vorliegt, Ansprüche nicht iSd § 1 Abs 2 IESG gesichert, wenn die ihnen zugrunde liegende Vereinbarung unwirksam ist. Die hier zu beurteilende Vereinbarung entspricht nun in ihren Konsequenzen weitestgehend einem "Verjährungsverzicht" des Arbeitgebers. Während die "typische" Wiedereinstellungsvereinbarung insoweit unbedenklich ist, als der Arbeitnehmer zu einem im Vorhinein festgesetzten Zeitpunkt oder jedenfalls innerhalb eines relativ eng umschriebenen Zeitrahmens das zwar beendete, aber - nicht endabgerechnete - Dienstverhältnis wieder antritt, hat die vorliegende Konstellation zur Folge, dass die ursprüngliche Wiedereinstellungsvereinbarung mit der Geltungsdauer von einem Jahr durch mehrfache Verlängerung, zu einem Hinausschieben der Fälligkeit der Beendigungsansprüche deutlich über den Zeitpunkt hinaus, zu dem ohne eine derartige Vereinbarung die Verjährung eingetreten wäre, führte. Berücksichtigt man weiters, dass es der Kläger unterlassen hat, sowohl von der Wiedereinstellungsmöglichkeit Gebrauch zu machen und damit die Anrechnung der Vordienstzeiten zu erreichen oder auch innerhalb der Verjährungsfrist die Beendigungsansprüche fällig zu stellen, besteht kein Zweifel, dass eine derartige Regelung im Ergebnis zu Lasten des Fonds geht. Die Stundungsvereinbarung ist daher gegenüber der beklagten Partei unbeachtlich.