OGH: Zu den inhaltlichen Mindestanforderungen einer Spezialvollmacht nach § 4 Abs 3 GmbHG
Die Spezialvollmacht muss unzweideutig erkennen lassen, dass sie zum Abschluss des betreffenden Gesellschaftsvertrags ermächtigt; zu dieser notwendigen Individualisierung des Geschäfts in der Vollmacht ist es nicht erforderlich, alle in § 4 Abs 1 GmbHG genannten Bestimmungen, die der Gesellschaftsvertrag enthalten muss, in die Vollmacht aufzunehmen
§ 4 Abs 3 GmbHG
GZ 6 Ob 119/09g, 18.12.2009
Das Erstgericht wies die von den Geschäftsführern beantragte Eintragung der GmbH in das Firmenbuch ab. Es begründete dies damit, dass eine Spezialvollmacht zur Unterfertigung des Gesellschaftsvertrags nach § 4 Abs 3 GmbHG die wesentlichen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags zu enthalten habe, wozu auch, wie sich aus § 4 Abs 1 GmbHG ergebe, der Unternehmensgegenstand gehöre. Da die Vollmacht keine Bestimmungen zum Unternehmensgegenstand enthalte, sei sie unzureichend.
OGH: Die Gründer einer GmbH können sich beim Abschluss des Gesellschaftsvertrags, der der Beurkundung durch einen Notariatsakt bedarf (§ 4 Abs 3 Satz 1 GmbHG), vertreten lassen. Die Unterzeichnung des Gesellschaftsvertrags durch Bevollmächtigte setzt "eine besondere, auf dieses einzelne Geschäft ausgestellte beglaubigte Vollmacht voraus, die dem Vertrage anzuschließen ist" (§ 4 Abs 3 Satz 2 GmbHG).
Der OGH hat dazu ausgesprochen (R I 588/14 NZ 1917, 243), dass mit der besonderen, auf das einzelne Geschäft ausgestellten Vollmacht die Individualisierung, nicht aber die Spezialisierung des Inhalts der Vollmacht gefordert ist. Deshalb ist es nicht notwendig, dass die Vollmacht den ganzen oder doch den gesamten wesentlichen Inhalt des erst abzuschließenden Gesellschaftsvertrags enthält. Es genügt vielmehr, wenn aus der Vollmacht zu ersehen ist, dass sie zwecks Abschlusses eines Gesellschaftsvertrags in Ansehung einer bestimmten, das ist im Einzelfall zureichend gekennzeichneten GmbH erteilt wurde. Im Übrigen kann dem Bevollmächtigten freie Hand gelassen werden.
Der erkennende Senat hält an der in der Entscheidung NZ 1917, 243 geäußerten Rechtsauffassung fest:Die Entscheidung verweist bereits auf die (Ähnlichkeit zur) Einzel-(Spezial-)vollmacht nach § 1008 ABGB. Zweck des § 1008 ABGB ist der Gefahr zu begegnen, dass sich der Machtgeber durch Erteilung einer allgemeinen Vollmacht dem Machthaber völlig ausliefert. Der Geschäftsherr soll dadurch, dass er in der Vollmacht das einzelne Geschäft angeben muss, darauf besonders hingewiesen werden, dass derartige wichtige, ungewöhnliche oder gefährliche Geschäfte mit inbegriffen sind, wobei das an den Geschäftsherrn gerichtete Konkretisierungsgebot nicht allzu streng ist.
Aus diesem, auch auf die von § 4 Abs 3 GmbHG geforderte Spezialvollmacht zutreffenden Zweck ergibt sich ihr notwendiger Inhalt. Sie muss unzweideutig erkennen lassen, dass sie zum Abschluss des betreffenden Gesellschaftsvertrags ermächtigt. Zu dieser notwendigen Individualisierung des Geschäfts in der Vollmacht ist es nicht erforderlich, alle in § 4 Abs 1 GmbHG genannten Bestimmungen, die der Gesellschaftsvertrag enthalten muss, in die Vollmacht aufzunehmen.
Der Auffassung des Rekursgerichts lässt sich entgegenhalten, dass infolge der Formbedürftigkeit der Vollmacht in diese nicht aufgenommene Beschränkungen nicht wirksam sind. Den behaupteten Zusammenhang der strengeren Anforderungen an den Inhalt der Vollmacht mit dem materiellen Publizitätsprinzip des Firmenbuchs hat das Rekursgericht nicht begründet. Er ist auch nicht ersichtlich.
Im Anlassfall enthält die Vollmacht zum Abschluss des Gesellschaftsvertrags mit Ausnahme des Unternehmensgegenstands alle Bestimmungen, die der Gesellschaftsvertrag gem § 4 Abs 1 GmbHG enthalten muss. Die Vollmacht nennt zudem auch den einzigen Gesellschafter, mit dem der Vertrag abgeschlossen werden soll. Diese Angaben in der Vollmacht reichen zur Individualisierung des Gesellschaftsvertrags aus.