OGH: Zwangsstrafe nach § 283 UGB auch bei bloßer Verletzung von Formvorschriften bei Einreichung des Jahresabschlusses?
Das Gericht hat gem § 283 Abs 1 UGB (ua) die Geschäftsführer einer Gesellschaft mittels Zwangsstrafen zur Beachtung der jeweiligen (Form-)Vorschriften anzuhalten hat, wenn sich der Verstoß auch als ein Verstoß gegen die §§ 277 bis 280a UGB darstellt; dies ist bei Unterlassen der Angabe der Vorjahreszahlen im Jahresabschluss zu bejahen
§ 283 UGB, § 223 UGB, §§ 277 ff UGB
GZ 6 Ob 262/09m, 19.03.2010
Die Vorinstanzen verhängten über die Geschäftsführer der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN ***** eingetragenen Gesellschaft nach ursprünglicher Androhung eine Zwangsstrafe iHv jeweils 750 EUR mit der Begründung, die Gesellschaft habe zum Stichtag 30. 6. 2008 zwar gem §§ 277 ff UGB einen Jahresabschluss vorgelegt, dieser enthalte jedoch entgegen § 223 Abs 2 UGB nicht die Vorjahreszahlen in TSD-Beträgen.
OGH: Nicht strittig ist der Umstand, dass der von der Gesellschaft zum Stichtag 30. 6. 2008 zum Firmenbuch eingereichte Jahresabschluss keine Vergleichszahlen zum Vorjahresabschluss (Stichtag 30. 6. 2007) ausweist und daher ein Verstoß gegen die Vorschriften des § 223 Abs 2 UGB gegeben ist.
Nach Art 6 Buchstabe a) der PublizitätsRL 68/151/EWG idF RL 2003/58/EG und RL 2006/99/EG drohen die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen zumindest für den Fall an, dass die in Art 2 Abs 1 Buchstabe f) vorgeschriebene Offenlegung der Rechnungsunterlagen unterbleibt. Nach dieser Bestimmung treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit sich die Pflicht zur Offenlegung hinsichtlich der Gesellschaften mindestens auf die nach Maßgabe der (ua) BilanzRL 78/660/EWG idF (zuletzt) RL 2009/49/EG für jedes Geschäftsjahr offen zu legenden Unterlagen der Rechnungslegung erstreckt. Art 4 Abs 4 Satz 1 der BilanzRL legt fest, dass in der Bilanz sowie in der Gewinn- und Verlustrechnung zu jedem Posten die entsprechende Zahl der vorhergehenden Geschäftsjahre anzugeben ist.
Diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben hat der österreichische Gesetzgeber in § 223 Abs 2 UGB umgesetzt. Die Norm soll eine Erleichterung der Analyse der Jahresabschlüsse verschiedener Jahre bewirken. Durch zahlreiche Schätzgrößen im Jahresabschluss - dieser besteht nach Art 2 Abs 1 der BilanzRL aus der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung und dem Anhang zum Jahresabschluss; diese Unterlagen bilden eine Einheit - ist nämlich ein absolut richtiger Jahresabschluss nicht aufstellbar, der richtigen Anzeige der gegenüber dem Vorjahr eingetretenen Situationsänderung kommt daher besondere Bedeutung zu.
Der Jahresabschluss ist (samt Lagebericht) nach § 277 Abs 1 UGB beim Firmenbuchgericht einzureichen. Dabei ist er nach § 281 Abs 1 UGB so wiederzugeben, dass er den für seine Aufstellung maßgeblichen Vorschriften entspricht; er hat in diesem Rahmen vollständig und richtig zu sein.
Nach § 282 Abs 1 UGB hat das Gericht zu prüfen, ob die nach §§ 277 bis 281 UGB offen zu legenden Unterlagen vollzählig zum Firmenbuch eingereicht worden sind. Dazu gehört - im Gegensatz zur deutschen Rechtslage (§ 329 Abs 1 dHGB) - auch die Einhaltung der Formvorschriften. Stellt das Gericht dabei einen Verstoß gegen die Offenlegungspflichten der §§ 277 bis 280a UGB fest, hat es nach § 283 Abs 1 UGB mittels Zwangsstrafen (ua) die Geschäftsführer einer GmbH zur Befolgung dieser Vorschriften anzuhalten.
§ 283 Abs 1 UGB verweist weder auf § 223 Abs 1 noch auf § 281 UGB. Der Revisionsrekurs schließt daraus, dass ein Verstoß (lediglich) gegen die Formvorschriften in Österreich sanktionslos sei.
Eine solche Differenzierung würde zwar der deutschen Rechtslage entsprechen. Dort regelt § 328 dHGB die Anforderungen an Form und Inhalt der Unterlagen bei der Offenlegung, Veröffentlichung und Vervielfältigung, wobei § 334 Abs 1 Nr 5 dHGB bei Verstößen lediglich ein Bußgeld wegen einer Ordnungswidrigkeit vorsieht, während § 335 dHGB zur Durchsetzung der Offenlegungspflichten ein Ordnungsgeldverfahren anordnet.
Allerdings dient § 283 Abs 1 UGB - ebenso wie § 24 FBG - (auch) der Umsetzung des Art 6 der PublizitätsRL, wonach "geeignete Maßnahmen" vorzusehen sind. Die detaillierten Regelungen der beiden erwähnten gesellschaftsrechtlichen Richtlinien lassen dem nationalen Gesetzgeber dabei einen nur sehr geringen Umsetzungsspielraum; er hat dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Offenlegungsverpflichtungen durch wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen abgesichert wird. Gerade "geeignete Maßnahmen" iSd Art 6 der PublizitätsRL würde bei der im Revisionsrekurs erörterten Differenzierung des § 283 Abs 1 UGB aber das österreichische Recht bei der Verletzung von Formvorschriften generell nicht vorsehen, was jedenfalls in jenen Fällen dem Gemeinschaftsrecht widersprechen würde, in denen dieses ausdrückliche Formvorschriften enthält - wozu auch die Angabe der Vorjahreszahlen im Jahresabschluss gehört.
Es ist davon auszugehen, dass das Gericht gem § 283 Abs 1 UGB (ua) die Geschäftsführer einer Gesellschaft mittels Zwangsstrafen zur Beachtung der jeweiligen (Form-)Vorschriften anzuhalten hat, wenn sich der Verstoß auch als ein Verstoß gegen die §§ 277 bis 280a UGB darstellt. Dies ist aber bei Unterlassen der Angabe der Vorjahreszahlen im Jahresabschluss im Hinblick auf die erwähnten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zu bejahen, worauf im Übrigen ja auch die deutsche Rechtslage Bedacht nimmt, die in einem solchen Fall zumindest ein Bußgeld nach §§ 265, 328, 334 dHGB vorsieht.