15.07.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob eine Schiedsklausel nach Art 33 CMR die in Art 31 CMR aufgezählten Gerichtsstände ausschließen kann

Auch eine Schiedsklausel iSd Art 33 CMR ist, soweit mit ihr das gleiche Ziel wie mit einer Gerichtsstandsklausel (nämlich ein Ausschluss der in Art 31 Abs 1 CMR genannten internationalen Zuständigkeiten) erreicht werden soll, gem Art 41 CMR nichtig und rechtsunwirksam


Schlagworte: Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, Schiedsklausel, Ausschluss der internationalen Zuständigkeit, nichtig
Gesetze:

Art 33 CMR, Art 31 CMR, Art 41 CMR

GZ 7 Ob 216/09, 05.05.2010

Der vorliegende Frachtbrief enthält unter dem Punkt "special agreements" auf deutsch übersetzt Folgendes:"Die Vertragsparteien legen fest, dass im Fall von Streitigkeiten betreffend die Interpretation und die Erfüllung des Frachtvertrags, auf den sich dieser Frachtbrief bezieht, diese von der ‘Junta Arbitral del Transporte de Mercancias de Madrid’ [im Folgenden: Schiedsgericht in Madrid] entschieden werden müssen, die die CMR-Konvention anzuwenden hat, und verpflichten sich selbst zur Vollziehung ihrer Entscheidungen."

OGH: Art 31 Abs 1 CMR ermöglicht nur die einvernehmliche Wahl von zusätzlichen internationalen Zuständigkeiten von Gerichten der Vertragsstaaten, wobei in der Vereinbarung eines konkreten Gerichts (hier: des Schiedsgerichts in Madrid) oder eines örtlichen Gerichtsstands auch die Vereinbarung der (zusätzlichen) internationalen Zuständigkeit jenes Staats zu sehen ist, in welchem dieses Gericht gelegen ist; wird doch durch den im Hoheitsgebiet gelegenen Ort naturgemäß auch der Vertragsstaat präzisiert. Das Ausschließen der Zuständigkeit der in Art 31 Abs 1 CMR genannten Zuständigkeiten, also die Vereinbarung eines ausschließlichen internationalen Gerichtsstands (hier: des Schiedsgerichts in Madrid), ist hingegen unwirksam, sind doch nach Art 41 Abs 1 CMR Vereinbarungen nichtig und ohne Rechtswirkung, soweit sie mittelbar oder unmittelbar von den Bestimmungen der CMR abweichen.

Dies spricht für eine Teilnichtigkeit solcher Vereinbarungen in dem Sinn, dass nur der den CMR widersprechende Teil der Vereinbarung nichtig ist; wird ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart, so widerspricht die Vereinbarung nämlich nur insofern den CMR, als die in Art 31 Abs 1 CMR genannten Gerichtsstände ausgeschlossen werden.

Die hier zu beurteilende Klausel bestimmt, dass "im Fall von Streitigkeiten" betreffend die Interpretation und die Erfüllung des Frachtvertrags, auf den sich dieser Frachtbrief bezieht, "diese von der ‘Junta Arbitral del Transporte de Mercancias de Madrid’ entschieden werden müssen, ..."; es wurde also kein genereller Ausschluss staatlicher Gerichte bestimmt, sondern allein die (ausschließliche) Zuständigkeit eines konkreten Schiedsgerichts in Madrid festgelegt. Demgemäß kann aber von einer Entscheidung der Parteien, die staatlichen Gerichte (generell) auszuschließen, sodass - wie der Revisionsrekurs zu Punkt "3.6 Schlussfolgerungen" meint - die Klageerhebung auch in Österreich (als gem Art 31 Abs 1 lit b CMR international zuständigem Mitgliedsland) nur vor einem Schiedsgericht und nicht vor einem staatlichen Gericht ermöglicht wäre, keine Rede sein.

Für die Unzulässigkeit einer Derogation der staatlichen Gerichte ist somit allein maßgebend, dass Vereinbarungen, mit denen die gesetzlichen Zuständigkeiten des Art 31 Abs 1 CMR ausgeschlossen werden, im Hinblick auf Art 41 CMR nichtig und ohne Rechtswirkung sind. Diese Bestimmung erfasst "alle Parteienvereinbarungen und Klauseln". Auch eine Schiedsklausel iSd Art 33 CMR ist daher, soweit mit ihr das gleiche Ziel wie mit einer Gerichtsstandsklausel (nämlich ein Ausschluss der in Art 31 Abs 1 CMR genannten internationalen Zuständigkeiten) erreicht werden soll, gem Art 41 CMR nichtig und rechtsunwirksam.