04.11.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob und inwieweit die im Wege der Unterfertigung eines Vollmachtsformulars, in dem ein Wirtschaftstreuhänder zur Vertretung in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten bevollmächtigt wird, in das Auftragsverhältnis einbezogenen AAB bzw die in deren § 8 enthaltenen Verjährungsbestimmungen auch iZm Tätigkeiten des Wirtschaftstreuhänders als vereinbart gelten, durch deren Ausübung dieser seine Berufsbefugnisse überschreitet

Aus teleologischer Sicht ist es nicht erforderlich, die Bestimmung des § 1 Abs 1 AAB auf Fälle der zulässigen Berufsausübung zu beschränken


Schlagworte: Schadenersatzrecht, allgemeine Auftragsbedingungen für Wirtschaftstreuhänder, Verkürzung der Verjährung, Überschreitung der Berufsbefugnisse
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1 Abs 1 AAB, § 8 Abs 4 AAB

GZ 6 Ob 124/10v, 01.09.2010

OGH: Eine Differenzierung zwischen Vertragstätigkeiten, die im Rahmen der rechtlichen Befugnisse des Wirtschaftstreuhänders iSd § 3 Abs 2 Z 5 WTBG erbracht werden, und Tätigkeiten, zu denen der Wirtschaftstreuhänder nicht befugt ist, ist aus § 1 Abs 1 AAB auch nicht ansatzweise abzuleiten. Gem § 3 Abs 2 Z 5 WTBG ist der Wirtschaftstreuhänder ua zur "Beratung in Rechtsangelegenheiten, soweit diese mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten unmittelbar zusammenhängen", berechtigt. Wirtschaftstreuhänder (Steuerberater) dürfen die Beratung in Rechtsangelegenheiten (soweit es sich nicht um steuer- und sonstige abgabenrechtlichen Belange, Fragen der Buchführung und Bilanzierung etc handelt) daher nur vornehmen, soweit diese mit den für den gleichen Auftraggeber durchzuführenden wirtschaftstreuhänderischen Arbeiten unmittelbar zusammenhängen. Dem Steuerberater wird insoweit die Beratung in rechtlicher Hinsicht zugestanden, nicht jedoch die gesamte Vertragserrichtung. § 3 Abs 2 Z 5 WTBG erfordert nicht bloß irgendeinen Zusammenhang zwischen rechtlichen und wirtschaftstreuhänderischen Aufgaben, sondern einen unmittelbaren Zusammenhang. Nach der Jud ist ein solcher nur hinsichtlich jener Vertragsteile zu bejahen, die sich unmittelbar auf die wirtschaftstreuhänderische Arbeit beziehen. Die Verfassung ganzer Verträge, die auch Fragen regeln, die wirtschaftstreuhänderisch nicht relevant sind, sei daher vom Berechtigungsumfang ebensowenig umfasst wie die Beratung in solchen Rechtsfragen. Ein unmittelbarer Zusammenhang mit der wirtschaftstreuhänderischen Tätigkeit bestehe dann, wenn diese Aufgaben ohne die Rechtsberatung nicht sachgemäß erledigt werden können.

Die Bestimmung des § 3 Abs 2 Z 5 WTBG stellt nach der Rsp eine Schutznorm dar. Dies hat aber mit der Frage, welche vertraglichen Vereinbarungen Wirtschaftstreuhänder mit ihren Mandanten treffen, und mit der Vereinbarung über den Geltungsbereich von AGB nichts zu tun. Aus teleologischer Sicht ist es nicht erforderlich, die Bestimmung des § 1 Abs 1 AAB auf Fälle der zulässigen Berufsausübung zu beschränken:

Das Überschreiten der berufsrechtlichen Befugnis mag zwar die Gefahr eines Schadenseintritts vergrößern; dies hat aber auf die Gründe für die Festlegung der Länge der Verjährungsfrist keinen Einfluss. Die Rsp hat die Zulässigkeit der Verkürzung der Verjährungsfrist bei Wirtschaftstreuhändern auf 6 Monate nämlich va damit begründet, dass dadurch Beweisschwierigkeiten auf Seiten des regelmäßig eine Vielzahl von Mandanten vertretenden Wirtschaftstreuhänders vermieden würden. Diese Überlegung gilt aber auch für Fälle, in denen der Wirtschaftstreuhänder seine Befugnis überschreitet. Im vorliegenden Fall geht es ausschließlich um die Beurteilung der Verkürzung der subjektiven Verjährungsfrist in den AAB, also um die Frist, die dem Geschädigten nach Kenntnis von Schaden und Schädiger noch zur Rechtsverfolgung offen steht. Für diese Frist spielen aber die Rechtskenntnisse und der Umfang der Berufsbefugnis des Schädigers keine Rolle. Die Vorbereitungen zur Klagsführung nehmen in einem derartigen Fall nicht längere Zeit in Anspruch als bei der Schadenszufügung innerhalb der gesetzlichen Grenzen der Berufsausübung. Ein Sorgfaltsverstoß muss in beiden Fällen in gleicher Weise vorliegen und vom Kläger unter Beweis gestellt werden.