OGH: Warnpflicht des Sachverständigen iSd § 25 Abs 1a GebAG auch im kartellgerichtlichen Verfahren?
Ein sachlicher Grund für die Ausklammerung gerade des kartellgerichtlichen Verfahrens ist nicht zu erkennen; die Warnpflicht des Sachverständigen verpflichtet nicht nur zu einer ersten Bekanntgabe der voraussichtlichen Kosten, der Sachverständige muss auch warnen, wenn sich zeigt, dass er die voraussichtliche Gebühr zu gering geschätzt hat
§ 25 Abs 1a GebAG
GZ 16 Ok 7/10, 07.02.2011
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte der Vorsitzende des Kartellsenats die Gebühren des Sachverständigen entsprechend der Gebührennote mit 278.750,80 EUR. § 25 GebAG über die Warnpflicht des Sachverständigen sei im kartellgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden, weshalb der Sachverständige auch bei unterlassener Warnung seines Gebührenanspruchs nicht verlustig gehe.
Die Rekurswerberinnen wenden ein, dass das kartellgerichtliche Verfahren in § 1 GebAG nicht ausgenommen werde und daher insbesondere auch dessen § 25 Abs 1a GebAG - zumindest analog - anzuwenden sei. Der Gesetzgeber habe Verfahren nach dem AußStrG nicht ausnehmen wollen. Auch vor dem OLG Wien als Kartellgericht werde daher die Warnpflicht des § 25 Abs 1a GebAG ausgelöst.
OGH: § 25 Abs 1a GebAG normiert eine Warnpflicht des Sachverständigen. Danach hat der Sachverständige das Gericht oder die Staatsanwaltschaft rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn zu erwarten ist oder sich bei der Sachverständigentätigkeit herausstellt, dass die tatsächlich entstehende Gebühr die Höhe des Kostenvorschusses, mangels eines solchen den Wert des Streitgegenstands oder 2.000 EUR, im Verfahren vor dem LG oder im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft aber 4.000 EUR übersteigt, wenn das Gericht oder die Staatsanwaltschaft den Sachverständigen nicht anlässlich des Auftrags von dieser Verpflichtung befreit hat. Unterlässt der Sachverständige den Hinweis, entfällt insoweit der Gebührenanspruch. Unaufschiebbare Tätigkeiten können aber auch vor der Warnung oder dem Zugang einer Reaktion darauf begonnen werden.
Die Bestimmung ist durch das BRÄG 2008 eingeführt worden. Zweck dieser Novelle des GebAG war es va, Änderungen im Bereich des strafrechtlichen Vorverfahrens Rechnung zu tragen. Nach den Materialien verfolgt die Neuregelung der Warnpflicht den Zweck, dass sich Gericht und Parteien möglichst frühzeitig eine grobe Vorstellung von den Kosten des Gutachtens und dem Sinn des Gutachtensaufwands machen können, um gegebenenfalls den Gutachtensauftrag präziser zu fassen und frustrierte Aufwendungen im Beweisverfahren zu vermeiden.
Auf das kartellgerichtliche Verfahren wird zwar weder im Gesetzestext noch in den Materialien ausdrücklich Bezug genommen; die Erwägungen der Materialien gelten aber auch für dieses. Gerade bei den dort regelmäßig umfangreichen und komplexen Aufgabenstellungen der Sachverständigen, die - wie der vorliegende Fall eindrucksvoll zeigt - zu immensen Gebühren führen können, ist es von besonderer Bedeutung, Parteien und Gericht über die Kosten des Gutachtens zu informieren.
Da das Gesetz Außerstreitverfahren nicht von seinem Geltungsbereich ausnimmt, sondern sogar das nicht der Parteiendisposition unterliegende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften ausdrücklich einbezieht, ist ein sachlicher Grund für die Ausklammerung gerade des kartellgerichtlichen Verfahrens nicht zu erkennen.
Im vorliegenden Verfahren wurde zwar kein Kostenvorschuss auferlegt; es ist auch keine Bewertung des Streitgegenstands in Kartellsachen vorgesehen; es war aber, wie die Kostenschätzung des Sachverständigen zeigt, zu erwarten, dass die Gebühr weit mehr als die im Gesetz genannten Beträge von 2.000 EUR und 4.000 EUR beträgt. Damit wurde die Warnpflicht des Sachverständigen begründet, die nicht nur zu einer ersten Bekanntgabe der voraussichtlichen Kosten verpflichtet, sondern der Sachverständige muss auch warnen, wenn sich zeigt, dass er die voraussichtliche Gebühr zu gering geschätzt hat. Andernfalls würde der Zweck der gesetzlichen Regelung nur unvollkommen erreicht. Denn die in den Materialien genannten Maßnahmen, wie etwa eine Präzisierung des Gutachtensauftrags und die Vermeidung frustrierter Aufwendungen im Beweisverfahren, können auch dann sinnvoll und notwendig sein, wenn der ursprünglich genannte Gebührenbetrag voraussichtlich überschritten wird.
Der Sachverständige muss daher auch vor dem Überschreiten der eigenen Kostenschätzung - bei sonstigem Entfall seiner weiteren Gebühren - warnen. Da die Warnpflicht des Sachverständigen schon nach § 25 Abs 1a GebAG begründet ist, braucht auf § 1170a ABGB nicht mehr eingegangen werden.
Zu prüfen bleibt, ob sich der Sachverständige iSd letzten Satzes von § 25 Abs 1a GebAG darauf berufen kann, dass seine Tätigkeit unaufschiebbar gewesen sei, und er daher nicht habe zuwarten müssen.
Im kartellgerichtlichen Verfahren zur Prüfung von Zusammenschlüssen schlägt die dort für das Gericht vorgegebene kurze Entscheidungsfrist regelmäßig auch auf die Frist für die Erstellung des Gutachtens durch. In aller Regel ist die Erstellung des Gutachtens dringend und für das Kartellgericht unverzichtbar, solange nicht der Prüfungsantrag oder zumindest die ihn auslösende Zusammenschlussanmeldung zurückgezogen wurde.
Die Dringlichkeit der Tätigkeit entbindet den Sachverständigen aber nicht von der Warnpflicht selbst, er darf nur - hat er gewarnt - mit der dringenden Tätigkeit bis zum Zugehen einer Reaktion fortfahren. Im vorliegenden Fall hat der Sachverständige nicht vor der drohenden Überschreitung seiner Kostenschätzung gewarnt, sodass er sich auch nicht darauf berufen kann, er habe eine allfällige Reaktion nicht abwarten müssen.
Insoweit der Sachverständige seine Warnpflicht verletzt hat, entfällt nach § 25 Abs 1a zweiter Satz GebAG sein Gebührenanspruch. Es stehen daher Gebühren nur in Höhe des bekannt gegebenen Betrags zu. Da sich die Warnpflicht nach § 25 Abs 1a GebAG auf den gesamten Gebührenanspruch des Sachverständigen bezieht und nicht nur auf die Gebühr für Mühewaltung, sind ihm auch über seine Schätzung hinausgehende Beträge für sonstige Teile des Gebührenanspruchs iSd § 24 GebAG, im vorliegenden Fall Reisekosten, nicht zusätzlich zuzusprechen.