OGH: Haftung des Frachtführers iZm multimodalem Transport
Für den österreichischen Rechtsbereich ist das Network-System für die Ermittlung der Haftungsordnung bestimmend; es ist daher bei bekanntem Schadensort auf den zwischen den Parteien des multimodalen Frachtvertrags hypothetisch abgeschlossenen Vertrag über die Beförderung auf derjenigen Teilstrecke abzustellen, auf der der Schaden eingetreten ist; anstelle des Übernahme- und Auslieferungsorts der multimodalen Beförderung treten der Ort des Beginns und des Endes der betreffenden Teilstrecke
§§ 425 ff UGB
GZ 7 Ob 145/10i, 19.01.2011
OGH: Wird eine Beförderung - wie hier (Land- und Seetransport) - mit mindestens zwei verschiedenen Transportmitteln aufgrund eines einheitlichen Frachtvertrags durchgeführt, spricht man von einem kombinierten oder multimodalen Transport.
Nach der Rsp des OGH richtet sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers in diesem Fall nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung ("Network-System"). Ist der Ort des Schadenseintritts nicht feststellbar, so haftet der Frachtführer nach dem für den Anspruchsteller günstigsten Haftungsrecht. Ist der Schadensort bekannt, dann ist auf das Haftungsrecht abzustellen, das für das Beförderungsmittel auf dieser Teilstrecke gilt. Die für die jeweiligen Teilstrecken geltenden Haftungsbestimmungen sind nicht nur dann maßgeblich, wenn von vorneherein feststeht, dass der Transport mit verschiedenen Transportmitteln durchgeführt werden soll, sondern auch dann, wenn der Frachtführer in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens bestimmte Transportarten und -wege gewählt hat. Auch in diesem Fall ist für die Beurteilung auf die vom Frachtführer in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens gewählten Transportarten und -wege abzustellen.
Im vorliegenden Fall steht fest, dass die Verunreinigung des Düngemittelgranulats beim Transport mittels Radlader und Lkw vom Zwischenlager der Nebenintervenientin in Koper zum Schiff eingetreten ist. Weiters ist davon auszugehen, dass dem multimodalen Frachtvertrag die AÖSp als vereinbart zugrunde zu legen sind. Es gilt daher auch § 65 lit c AÖSp, wonach für die Rechtsbeziehung der Beklagten zum Auftraggeber (das ist hier die Versicherungsnehmerin der Klägerinnen) österreichisches Recht anzuwenden ist. Es handelt sich hiebei um eine Rechtswahl nach (dem hier noch anzuwendenden) Art 3 EVÜ. Die Frage, ob eine im multimodalen Frachtvertrag getroffene Rechtswahl auch auf die hypothetischen Teilstreckenverträge durchschlägt, kann hier allerdings dahingestellt bleiben:
Unabhängig von einer Rechtswahl ist bei Güterbeförderungsverträgen zu vermuten, dass sie mit dem Staat die engsten Verbindungen aufweisen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort oder der Entladeort oder die Hauptniederlassung des Absenders befindet (Art 4 Abs 4 EVÜ). Im vorliegenden Fall hat zwar der Beförderer seine Hauptniederlassung in Österreich, dort befindet sich aber für den Teilstreckenabschnitt, auf dem der Schaden eingetreten ist, weder der Verlade- noch der Entladeort. Art 4 Abs 2 EVÜ, wonach die engste Verbindung mit dem Staat vermutet wird, in dem die Partei, die die charakteristische Leistung erbringt, ihre Hauptniederlassung hat, ist gem Art 4 Abs 4 EVÜ nicht auf den Güterbeförderungsvertrag anwendbar; es ist daher nach anderen Kriterien zu beurteilen, zu welchem Staat die engste Verbindung iSv Art 4 Abs 1 EVÜ gegeben ist. Da auf den Multimodalfrachtvertrag selbst - auch ohne Rechtswahl - nach Art 4 Abs 4 EVÜ österreichisches Recht anzuwenden ist, weil neben dem Ort der Hauptniederlassung des Frachtführers auch der Verladeort in Österreich liegt, und im vorliegenden Rechtsstreit nichts dafür spricht, dass der hypothetische Teilstreckenvertrag - abweichend vom Multimodalfrachtvertrag - zu einem anderen Staat, insbesondere zum Staat, in dem der Transport stattfand, eine engere Verbindung aufweist als zu Österreich, ist daher auch auf den Teilstreckenvertrag österreichisches Recht anzuwenden.
Nach österreichischem Recht unterliegen den CMR Verträge über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Guts und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist (Art 1 Z 1 CMR). Weiters sind auf eine derartige entgeltliche Beförderung mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen auch die CMR anzuwenden, sofern der vertragliche Ort der Übernahme oder der vertragliche Ort der Ablieferung des Guts im Inland liegen (§ 439a UGB). Im vorliegenden Fall war der Transport auf der Teilstrecke, auf der der Schaden eingetreten ist, weder grenzüberschreitend noch "inländisch". Da die CMR auf Transporte im Ausland, die dort nicht grenzüberschreitend sind, nicht anwendbar sind, ist für den Teilstreckentransport in Koper auf die allgemeinen Bestimmungen des UGB zurückzugreifen. Nach den §§ 439 iVm 414 UGB verjähren zwar die Ansprüche aus dem Frachtvertrag innerhalb eines Jahres, doch kann die Verjährungsfrist durch Vereinbarung verkürzt werden. Durch die Vereinbarung der AÖSp, die in § 64 eine solche Verkürzung vorsehen, gilt daher für den vorliegenden Schadensfall eine sechsmonatige Frist.