OGH: Anträge auf Löschung von Stiftungsvorstandsmitgliedern - verstärkte Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts?
Bei der Privatstiftung hat das Firmenbuchgericht - anders als bei der GmbH und der AG - auch bei der Anmeldung der Abberufung von Vorstandsmitgliedern eine amtswegige Prüfung vorzunehmen; die Prüfbefugnis des Firmenbuchgerichts ist jedoch nicht auf das Aufgreifen einer offensichtlichen Unzulässigkeit beschränkt; allerdings darf die Prüfungspflicht keinesfalls überspannt werden; hingegen besteht eine Pflicht zur weiteren Prüfung jedenfalls dann, wenn Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Gesuch zugrunde liegenden Tatsachen bestehen
§ 15 FBG, § 16 AußStrG, § 15 PSG, § 27 Abs 2 PSG
GZ 6 Ob 195/10k, 24.02.2011
OGH: Der OGH hat in der Entscheidung 6 Ob 178/05b ausgesprochen, das Firmenbuchgericht müsse bei Anträgen auf Löschung von Vorstandsmitgliedern infolge ihrer Abberufung durch das nach der Stiftungsurkunde hiefür zuständige Organ nicht prüfen, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung vorlag. Vielmehr müsse ein unzulässiger Weise abberufenes Vorstandsmitglied eine Feststellungsklage auf Unwirksamkeit der Abberufung erheben.
Dies entspricht auch der Auffassung im Schrifttum. Weil das PSG keine dem § 75 Abs 4 Satz 4 AktG bzw § 16 Abs 3 GmbHG vergleichbare Regelung enthalte, liege eine planwidrige Lücke vor, die durch eine Analogie zu schließen sei.
Zunächst ist festzuhalten, dass im PSG eine ausdrückliche Bestimmung iSd § 75 Abs 4 Satz 4 AktG und § 16 Abs 3 GmbHG fehlt. Nach neuerlicher Prüfung der Rechtslage kann die in der Entscheidung 6 Ob 178/05b zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht nicht aufrecht erhalten werden:
§ 75 Abs 4 Satz 4 AktG und § 16 Abs 3 Satz 2 GmbHG stellen Ausnahmen von allgemeinen Grundsätzen dar. Ohne diese Sonderbestimmungen wäre eine gesetzwidrige Abberufung gem § 879 ABGB unwirksam. In diesem Sinne entspricht es auch völlig hA, dass § 75 Abs 4 Satz 4 AktG nur auf das Fehlen eines wichtigen Grundes zur Abberufung anzuwenden ist. Abberufungsbeschlüsse, die aus sonstigen Gründen fehlerhaft sind, seien grundsätzlich nichtig und damit unwirksam. Damit entspricht es auch der hA zum Aktienrecht, dass fehlerhafte Beschlüsse außerhalb des Anwendungsbereichs der Sondervorschrift des § 75 Abs 4 AktG nichtig und damit unwirksam sind.
Dazu kommt, dass die amtswegige materielle Prüfungspflicht des Gerichts einen tragenden Grundsatz des österreichischen Firmenbuchrechts darstellt. Das Fehlen einer Ausnahmebestimmung von einer derartigen Prüfpflicht stellt jedenfalls keine echte Lücke dar. Daher fehlt es schon an der Grundvoraussetzung für die analoge Anwendung einer Bestimmung des AktG. Hiefür wären - mangels Fehlens einer Lücke im eigentlichen Sinn - vielmehr massive teleologische Argumente erforderlich, wonach das Fehlen einer dem § 75 Abs 4 AktG vergleichbaren Regelung im AktG einen massiven Wertungswiderspruch darstellen würde. Derartige Gründe werden von den Vertretern der hA aber nicht aufgezeigt und sind auch nicht zu sehen.
Der bloß deklarative Charakter der Löschung infolge Abberufung hat mit der Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts nichts zu tun. Vielmehr besteht ganz allgemein eine materielle Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Dies gilt aus systematischen Erwägungen dann nur eingeschränkt, wenn ein Beschlussmangel nur die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, nicht aber dessen Nichtigkeit begründen würde. In einem derartigen Fall liegt ein Eintragungshindernis nur dann vor, wenn der Beschlussmangel fristgerecht durch Anfechtungsklage aufgegriffen wird und daher nach § 19 FBG vorzugehen ist. Im PSG fehlt jedoch ein Gegenstück zu den im Kapitalgesellschaftsrecht vorgesehenen Anfechtungsklagen.
Dazu kommt das Kontrolldefizit im Privatstiftungsrecht. Im Gegensatz zum Aufsichtsrat einer AG unterliegt die den Vorstand einer Privatstiftung abberufende Stelle keiner Kontrolle durch die Gesellschafter bzw Eigentümer. Auch diese Überlegung spricht für eine verstärkte Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts.
Die Gegenansicht würde im Ergebnis zu einer freien Abberufbarkeit des Stiftungsvorstands führen. Ein derartiges freies Abberufungsrecht würde aber die notwendige Unabhängigkeit des Stiftungsvorstands stark beeinträchtigen. Das Erfordernis der Unabhängigkeit des Stiftungsvorstands ergibt sich nicht nur aus den Materialien, sondern auch aus den Unvereinbarkeitsbestimmungen des § 15 Abs 2 und § 23 Abs 2 PSG.
Im Einklang mit allgemeinen Grundsätzen (§ 16 Abs 1 AußStrG iVm § 15 Abs 1 FBG) ist daher davon auszugehen, dass bei der Privatstiftung - anders als bei der GmbH und der AG - das Firmenbuchgericht auch bei der Anmeldung der Abberufung von Vorstandsmitgliedern eine amtswegige Prüfung vorzunehmen hat.
Diese Prüfung kann sich freilich - wie auch sonst im Firmenbuchverfahren - im Wesentlichen auf eine Plausibilitätsprüfung dahin beschränken, ob die begehrte Eintragung schlüssig dargelegt und nach der Lebens- und Praxiserfahrung des Entscheidungsorgangs glaubwürdig ist. Dies entspricht im Ergebnis weitgehend der Auffassung Arnolds. Im Gegensatz zur Auffassung Arnolds ist die Prüfbefugnis des Firmenbuchgerichts jedoch nicht auf das Aufgreifen einer offensichtlichen Unzulässigkeit beschränkt. Allerdings darf die Prüfungspflicht keinesfalls überspannt werden. Hingegen besteht eine Pflicht zur weiteren Prüfung jedenfalls dann, wenn Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Gesuch zugrunde liegenden Tatsachen bestehen. Derartige Bedenken können sich etwa aus der inneren Unwahrscheinlichkeit des Angemeldeten oder aber auch aus dem Amtswissen des Richters ableiten. In diesem Sinne hat das Firmenbuchgericht daher jedenfalls bei der Anmeldung der Abberufung eines Vorstandsmitglieds zu prüfen, ob ein Abberufungsgrund schlüssig darlegt wurde. Abberufungsgründe sind jedenfalls die in § 27 Abs 2 Z 1 bis 3 PSG normierten Gründe, die auch eine Abberufung durch das Gericht rechtfertigen würden. Daneben kommt in gewissem Umfang, soweit damit nicht die erforderliche Unabhängigkeit des Stiftungsvorstands unterlaufen wird, auch eine Ausdehnung der Abberufungsgründe durch die Stiftungsurkunde in Betracht. Hingegen ist eine Überprüfung der tatsächlichen Richtigkeit der Behauptungen in der Anmeldung nur dann erforderlich, wenn das Firmenbuchgericht gegen deren Richtigkeit Bedenken hegt.