21.04.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage der Rekurslegitimation eines abberufenen Vorstandsmitglieds einer Privatstiftung im eigenen Namen, soweit die Abberufung nicht auf § 27 PSG gestützt wurde

Auch einzelnen Organmitgliedern ist die Möglichkeit der Bekämpfung der Löschung eines Vorstandsmitglieds infolge Abberufung zuzubilligen; dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um den abberufenen Funktionsträger selbst oder ein anderes Organ handelt; die Löschung infolge Abberufung selbst nimmt dem abberufenen Vorstandsmitglied nicht die Rekurslegitimation


Schlagworte: Privatstiftung, Firmenbuchrecht, abberufenes Vorstandsmitglied, Rekurslegitimation, Löschung
Gesetze:

§ 15 FBG, § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG

GZ 6 Ob 195/10k, 24.02.2011

OGH: Die Rekurslegitimation ist im FBG nicht ausdrücklich geregelt; sie richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Rekurslegitimiert sind zunächst die Parteien des Verfahrens, darüber hinaus gem § 2 Abs 1 Z 3 AußStrG auch all jene Personen, die durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommene Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit in ihrer Rechtsstellung unmittelbar beeinflusst würden. Damit knüpft der Gesetzgeber an das von der Lehre entwickelte Kriterium der "unmittelbaren" Betroffenheit an. Materielle Partei iS dieser Bestimmung ist zunächst der nach § 18 FBG zu verständigende Betroffene, also derjenige, der nach dem jeweiligen konkreten Verfahrensstand durch die beabsichtigte Maßnahme in seiner auf einer Firmenbucheintragung beruhenden Rechtsstellung unmittelbar beschränkt werden soll oder zwingend beschränkt wird.

Die Parteistellung ist jedoch nicht auf den in § 18 FBG umschriebenen Kreis der Betroffenen beschränkt. Es ist vielmehr darauf abzustellen, ob der Betreffende ein rechtliches Interesse hat, das auf einem eingetragenen Recht beruht oder das in einem anderen Verfahren nicht mehr geltend gemacht werden kann.

Nach stRsp und hL kommt dem Geschäftsführer einer GmbH gegen den Beschluss des Firmenbuchgerichts auf Löschung infolge Abberufung keine Parteistellung und demnach auch kein Rekursrecht zu. Diese Eintragung wirkt nicht rechtsbegründend, sondern nur deklarativ; sie äußert nur im Rahmen des § 15 UGB und des § 17 Abs 3 GmbHG Rechtswirkungen und berührt deshalb die tatsächliche rechtliche Stellung eines allenfalls entgegen der wahren Rechtslage zu Unrecht als abberufen in das Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführers nicht. Vielmehr bleiben die Abberufung des Geschäftsführers und die Neubestellung einer anderen Person zum Geschäftsführer solange bestehen, bis der Generalversammlungsbeschluss allenfalls durch Urteil umgestoßen wird. In Anbetracht des Umstands, dass dem abberufenen Geschäftsführer der streitige Rechtsweg offen steht, ist auch nicht erforderlich, ihm im Firmenbuchverfahren deshalb materielle Parteistellung zuzubilligen, weil es durch das Ergebnis des Firmenbuchverfahrens zu einer ganz erheblichen Erschwerung oder gar zur Unmöglichkeit der sonstigen Rechtsdurchsetzung käme.

Gleiches gilt für das Aktienrecht. Nach § 75 Abs 4 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Nach § 75 Abs 4 Satz 4 AktG ist der Widerruf wirksam, solange nicht über seine Unwirksamkeit rechtskräftig entschieden ist. Daraus ergibt sich, dass der Widerruf zunächst schwebend wirksam ist, und zwar auch dann, wenn ein wichtiger Grund in Wahrheit nicht vorliegt. Das Firmenbuchgericht hat das Ausscheiden des Vorstandsmitglieds schon aufgrund der Abberufung ohne weitere Prüfung des Widerrufsgrundes einzutragen. Nach einhelliger Ansicht ist die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Abberufung von Vorstandsmitgliedern im streitigen Rechtsweg zu klären. Es bleibt dem abberufenen Vorstand überlassen, den Widerruf seiner Bestellung mit rechtsgestaltender Anfechtungsklage oder - bei zwischenzeitigem Ablauf der Funktionsperiode - mit Feststellungsklage zu bekämpfen. Wird die Klage des Abberufenen rechtskräftig abgewiesen, fällt der Schwebezustand weg und wird der Widerruf voll wirksam. Wird der Klage rechtskräftig stattgegeben, wird der Widerruf ex tunc unwirksam und das Vorstandsmitglied rückwirkend wieder - mit denselben Rechten und Pflichten wie vor der Abberufung - in seine Funktion eingesetzt; seine Amtszeit gilt als ununterbrochen.

Zur Abberufung eines Mitglieds des Stiftungsvorstands durch das Gericht nach § 27 Abs 2 PSG hat der OGH in der Entscheidung 6 Ob 145/09f sich der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Ansicht der Gesetzesverfasser angeschlossen und einem Mitglied des Stiftungsvorstands Antrags- und Rekurslegitimation für Anträge nach § 27 PSG zugebilligt. Die Rechtslage unterscheide sich insoweit im Stiftungsrecht von derjenigen im Gesellschaftsrecht. Dieser Unterschied beruhe auf der Überlegung, dass nach der Konzeption der österreichischen Privatstiftung der Schutz der Stiftung in erster Linie in die Verantwortung der Stiftungsorgane falle.

Zur Rekurslegitimation eines abberufenen Vorstandsmitglieds außerhalb des Anwendungsbereichs des § 27 PSG liegt noch keine Rsp des OGH vor.

In Fortführung des in der Entscheidung 6 Ob 145/09f entwickelten Grundgedankens ist davon auszugehen, dass im Privatstiftungsrecht auch einzelnen Mitgliedern des Vorstands Rekurslegitimation gegen die Löschung infolge Abberufung eines Vorstandsmitglieds zukommt. Der Grund dafür liegt nicht in der Wahrung von Individualinteressen des abberufenen Vorstandsmitglieds, dem ohnedies die Feststellungsklage zur Verfügung steht. Entscheidend ist vielmehr ein sich sonst ergebendes Kontrolldefizit im Privatstiftungsrecht, wo mangels Vorliegens von Eigentümern kein Äquivalent etwa zur Hauptversammlung im Aktienrecht besteht. Von der Rechtslage bei der GmbH, wo die Abberufung des Geschäftsführers nicht durch den Aufsichtsrat, sondern unmittelbar durch die Generalversammlung erfolgt, unterscheidet sich das Privatstiftungsrecht gleichfalls dadurch, dass weder der Stifter noch ein allfälliger Aufsichtsrat oder Beirat Eigentümerkompetenzen hat.

Dazu kommt, dass der Vorstand nach der Konzeption des PSG gegenüber den Begünstigten objektiv agieren können muss. Aus dieser Erwägung hat der Gesetzgeber auch den Begünstigten selbst und gewisse ihm nahestehende Personen von einer Mitgliedschaft im Stiftungsvorstand ausgeschlossen.

Zur Vermeidung eines sich ergebenden Kontrolldefizits ist es daher auf Ebene des Verfahrensrechts geboten, auch einzelnen Organmitgliedern die Möglichkeit der Bekämpfung der Löschung eines Vorstandsmitglieds infolge Abberufung zuzubilligen. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um den abberufenen Funktionsträger selbst oder ein anderes Organ handelt, weil die Rekurslegitimation im vorliegenden Fall gerade nicht der Wahrung von Individualinteressen dient.

Die Löschung infolge Abberufung selbst nimmt dem abberufenen Vorstandsmitglied nicht die Rekurslegitimation. Einerseits wirkt die Abberufung auch bei der AG und GmbH nur deklarativ. Andererseits entspricht es einem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz, dass im Streit um das Vorliegen einer Prozessvoraussetzung, im vorliegenden Fall sohin um das Vorliegen der Rekurslegitimation, diese zunächst als gegeben anzunehmen ist. Nach völlig einhelliger Auffassung in LuRsp ist nämlich im Streit um die Partei- und Prozessfähigkeit der Betreffende als partei- und prozessfähig zu behandeln. Dies gilt auch für die Frage des Vorliegens von Vertretungsmacht. Dies muss in gleicher Weise für die hier Voraussetzung für die Rekurslegitimation bildende Organeigenschaft gelten.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Bejahung der Rekurslegitimation einzelner Organmitglieder keine Belastung oder Verzögerung des erstinstanzlichen Verfahrens mit sich bringt: Die vorherige Verständigung im Firmenbuchverfahren richtet sich nämlich ausschließlich nach § 18 FBG. Diese Bestimmung erfasst aber nicht Organmitglieder, weil durch die Löschung infolge Abberufung - unabhängig davon, ob diese sie selbst oder andere Personen betrifft - in ihre firmenbuchmäßigen Rechte nicht eingegriffen wird. Auch besteht keine Notwendigkeit der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung, weil nach § 21 Abs 1 FBG nur den dort angeführten Personen individuell zuzustellen ist; die Folgen der Zustellung für alle anderen Personen treten mit der öffentlichen Bekanntmachung der Eintragung ein (§ 21 Abs 2 FBG). Demgegenüber richtet sich die Rekurslegitimation nach den dargelegten Grundsätzen; diese ist wegen des dem Gesetz zugrundeliegenden abgestuften Parteibegriffs nicht mit der Parteistellung iSd § 18 FBG ident.