21.04.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Bestellung und Mindestfunktionsdauer des Stiftungsvorstands - Bestellungsbefugnis eines Stifters, der zugleich Begünstigter ist

Der Stifter kann, auch wenn er selbst Begünstigter ist, den ersten Vorstand bestellen; auch gegen die weitere Bestellung des Vorstands durch den Stifter bestehen, sofern sich dieser ein entsprechendes Recht in der Stiftungserklärung vorbehält, keine Bedenken; zur Wahrung der Unabhängigkeit des Vorstands ist dieser grundsätzlich für zumindest drei Jahre zu bestellen, uzw unabhängig davon, ob ein Begünstigter oder ein mit Begünstigten besetzter Beirat oder eine sonstige Stelle den Vorstand bestellt


Schlagworte: Privatstiftung, Stiftungsvorstand, Bestellung, Mindestfunktionsdauer, Bestellungsbefugnis eines Stifters, der zugleich Begünstigter ist, Abberufung
Gesetze:

§ 15 PSG, § 27 Abs 2 PSG

GZ 6 Ob 195/10k, 24.02.2011

Im vorliegenden Fall können sich Bedenken gegen die Zulässigkeit der Abberufung auf mehreren Ebenen ergeben: Zunächst ist darauf einzugehen, ob überhaupt eine Abberufung durch den einstweiligen Sachwalter möglich ist, der ja nur Vertreter des Stifters, der gleichzeitig auch Begünstigter ist, ist. Bejaht man dies, ist zu prüfen, ob ihm auch ein Bestellungsrecht zukommt und ob die Bestellung des Vorstands für eine Funktionsdauer von bloß zwei Jahren diesem eine ausreichend unabhängige Stellung verschafft.

OGH: In der Entscheidung 6 Ob 42/09h hat der OGH - anknüpfend an die Vorentscheidung 6 Ob 39/97x - ausdrücklich die Auffassung abgelehnt, wonach ein mit Begünstigten besetzter Beirat zulässig sei, wenn diesem nur ein Bestellungsrecht oder ein auf wichtige Gründe beschränktes Abberufungsrecht zukommt; auch dem Aufsichtsrat könne demnach die Bestellung und Abberufung des Vorstands übertragen werden. Der Aufsichtsrat dürfe aber nicht mehrheitlich mit Begünstigten besetzt werden. Diese zwingende gesetzliche Anordnung wäre obsolet, wenn anstelle des Aufsichtsrats ein Beirat mit denselben Befugnissen installiert und zur Gänze mit Begünstigten besetzt werden könnte. Die Auswirkung dieser Entscheidung auf die Befugnis eines Stifters, der zugleich Begünstigter ist, in der Stiftungserklärung sich das Recht zur Bestellung und Abberufung des Vorstands vorzubehalten, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt.

Nach Kalss spreche der Umstand, dass nach § 15 Abs 4 PSG die Bestellung des ersten Vorstands dem Stifter obliegt, ohne dabei auf eine gleichzeitige Begünstigtenstellung Rücksicht zu nehmen, deutlich für die Anerkennung der Bestellungsbefugnis eines Stifters, der zugleich Begünstigter ist. Der Größenschluss erscheine daher naheliegend, dass ein Stifter auch in der Folge Vorstandsmitglieder bestellen könne, auch wenn er Begünstigter sei. Das Recht zur Bestellung von Organmitgliedern begründe keine Abhängigkeit des bestellten Organs gegenüber dem Bestellungsberechtigten.

H. Torggler spricht sich ebenfalls für ein Bestellungsrecht eines Stifters, der selbst Begünstigter ist, aus. Auch er argumentiert mit einem Größenschluss aus § 15 Abs 4 PSG.

Nach einer Entscheidung des OLG Innsbruck (3 R 13/10a) kann einem Beirat auch dann, wenn er ausschließlich aus Begünstigten besteht, das Recht zur Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands eingeräumt werden.

Hier ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Bestellung eine geringere Einflussmöglichkeit vermittelt als die Befugnis zur Abberufung. Nach den Materialien zum Budgetbegleitgesetz 2011 kann einem mit Begünstigten besetzten Beirat weiterhin das Recht zur Bestellung des Stiftungsvorstands eingeräumt werden. Jedenfalls für den - hier allein zu beurteilenden - Fall des Bestellungsrechts des Stifters, der selbst auch Begünstigter ist, schließt sich der OGH der Auffassung von Kalss und H. Torggler an. Demnach ergibt sich daraus, dass der Stifter, auch wenn er selbst Begünstigter ist, den ersten Vorstand bestellen kann, dass auch gegen die weitere Bestellung des Vorstands durch den Stifter, sofern sich dieser ein entsprechendes Recht in der Stiftungserklärung vorbehält, keine Bedenken bestehen.

Voraussetzung ist allerdings eine entsprechende Mindestfunktionsdauer, um dem Vorstand ein entsprechend selbständiges Agieren zu ermöglichen. Zwar ist für die Bestellung von Mitgliedern des Stiftungsvorstands - ebenso wie beim Geschäftsführer der GmbH - keine gesetzlich geregelte Funktionsperiode bzw Höchstdauer der Funktion vorgesehen. Umstritten ist, inwieweit den Mitgliedern des Stiftungsvorstands eine Mindestfunktionsdauer einzuräumen ist.

Zutreffend hebt die Lehre hervor, dass das Problem der Mindestbestelldauer untrennbar mit dem einer Abberufung des Stiftungsvorstands ohne Vorliegen wichtiger Gründe verknüpft ist. Ließe man aber die Festlegung der Funktionsdauer ohne jedwede Untergrenze zu, würde dies im Ergebnis eine freie Abberufbarkeit bedeuten. Das Anliegen des Gesetzgebers, die Unabhängigkeit des Vorstands zu stärken und Einflussnahmen auf diesen einzuschränken, könnte leicht unterlaufen werden, wenn eine Mindestfunktionsperiode nicht erforderlich wäre. Außerdem käme dies zumindest indirekt den Druckmöglichkeiten einer unzulässigen Weisungsbefugnis gleich.

Allerdings erscheint hier die im Schrifttum - ebenso wie zum Aktienrecht - vorgeschlagene Mindestfunktionsdauer von einem Jahr zu kurz. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Aktienrecht die Höchstdauer des Vorstandsmandats 5 Jahre beträgt. Wenngleich im PSG keine § 75 Abs 1 AktG vergleichbare Höchstdauer der Funktion des Vorstandes normiert ist, muss der Privatstiftung ein Interesse zugebilligt werden, nicht zu lange an bestimmte Organwalter gebunden zu sein. Dies spricht dafür, als Orientierung für die Mindestfunktionsdauer eines Vorstands auf die schon jetzt in der erstinstanzlichen Praxis vielfach herangezogene Frist von drei Jahren abzustellen. Der OGH schließt sich daher der in der Praxis bereits überwiegend vertretenen Mittellösung an. Demnach ist zur Wahrung der Unabhängigkeit des Vorstands dieser grundsätzlich für zumindest drei Jahre zu bestellen, uzw unabhängig davon, ob ein Begünstigter oder ein mit Begünstigten besetzter Beirat oder eine sonstige Stelle den Vorstand bestellt. Erfolgt die Bestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstands auf unbestimmte Zeit, ist eine Mindestbestelldauer nicht erforderlich, weil die Abberufung auf wichtige Gründe beschränkt ist.

Erfüllt eine Vorstandsbestellung diese Voraussetzung nicht, so kommt eine Anpassung nicht in Betracht, weil sie dem ausdrücklichen Willen des Bestellenden widerspricht. Vielmehr wäre der betreffende Bestellungsbeschluss nichtig und hätte das Firmenbuchgericht diesfalls die Eintragung zu verweigern.

Von der grundsätzlich dreijährigen Mindestfunktionsdauer kann nur in besonderen Ausnahmefällen abgewichen werden. Diesfalls müssen aber konkrete Umstände dargetan werden, die im Einzelfall die kürzere Bestellung rechtfertigen. Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Bestellung von einem einstweiligen Sachwalter vorgenommen wurde. Zwar unterscheiden sich die Befugnisse eines einstweiligen Sachwalters (§ 120 AußStrG) nicht von denjenigen eines endgültigen Sachwalters. Im Hinblick darauf, dass es sich beim einstweiligen Sachwalter nur um einen regelmäßig vorübergehend bestellten Vertreter handelt und das Sachwalterverfahren auch noch eingestellt werden kann, wenn sich herausstellt, dass der Betroffene keinen Sachwalter benötigt, oder mit der Bestellung einer anderen Person zum Sachwalter enden kann, ist nicht zu beanstanden, wenn der einstweilige Sachwalter im vorliegenden Fall eine Bestellung bloß für eine Dauer von zwei Jahren vornahm, um damit eine übermäßig lange Bindung des Betroffenen zu vermeiden. Durch die Bestellung des einstweiligen Sachwalters ist auch die sachgerechte Ausübung des (Wieder-)Bestellungsrechts gewährleistet, sodass nicht die Gefahr besteht, dass durch die Drohung mit der Nichtverlängerung des Mandats Druck auf den Vorstand ausgeübt werden könnte.

Was das Abberufungsrecht anlangt, so hat der OGH bisher nur zur Abberufung durch einen mit Begünstigten besetzten Beirat Stellung genommen. In der Entscheidung 6 Ob 42/09h hat der OGH eingehend dargelegt, weshalb die weite Fassung der Abberufungsgründe in der Stiftungserklärung unzulässig ist. Im Schrifttum wurde betont, dass diese Entscheidung einen mit Einzelrechten überfrachteten und rechtswidrig ausgestalteten Beirat betraf sei aus dieser Entscheidung indes abzuleiten, dass die Einräumung einer Abberufungskompetenz als solche nicht unzulässig ist.

Nach der Novellierung der §§ 14, 23 PSG durch das Budgetbegleitgesetz 2011 kann ein mit Begünstigten besetzter Beirat die Abberufung des Stifters selbst vornehmen; es bestehen lediglich - abhängig vom Abberufungsgrund - besondere Mehrheitserfordernisse. Wenngleich das Budgetbegleitgesetz 2011 insoweit keine Übergangsbestimmungen enthält, ist die zugrunde liegende Wertung auch schon auf Altfälle anzuwenden. Daraus ergibt sich aber, dass eine Abberufungskompetenz eines Beirats, mag dieser auch mit Begünstigten besetzt sein, als solche noch keinen Bedenken begegnet.

Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Gericht ein Mitglied eines Stiftungsorgans auf Antrag oder von Amts wegen abzuberufen, wenn dies die Stiftungserklärung vorsieht oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt. Als wichtiger Grund gilt insbesondere eine grobe Pflichtverletzung, die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben und die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mitglieds, die Abweisung eines Antrags auf Eröffnung eines solchen Insolvenzverfahrens mangels kostendeckenden Vermögens sowie die mehrfache erfolglose Exekutionsführung in dessen Vermögen.

Im vorliegenden Fall hat sich der einstweilige Sachwalter des Stifters darauf berufen, dass der Stifter bei der seinerzeitigen Bestellung der Mitglieder des Stiftungsvorstands nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei. Dieser Umstand müsste an sich vom Erstgericht auch gem § 10 Abs 2 FBG wahrgenommen werden. Wenn der einstweilige Sachwalter sich dennoch aus Gründen der Rechtssicherheit zu einer ausdrücklichen Abberufung der - nach seinem Vorbringen in Wahrheit nie rechtswirksam bestellten - Mitglieder des Stiftungsvorstands entschließt, so ist dies jedenfalls als wichtiger Grund iSd § 27 Abs 2 PSG anzusehen, der von seiner Bedeutung her den in § 27 Abs 2 Z 1 bis 3 PSG ausdrücklich statuierten Abberufungsgründen wertungsmäßig entspricht.