05.05.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: § 18 UGB - Bildung der Firma einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft (hier: "Academy of Business Consulting LTD")

Bei der Auslegung und Konkretisierung des § 18 Abs 1 und 2 UGB ist die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit zu berücksichtigen; demnach verstieße die im Gründungsstaat zulässig gebildete Firma einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft gegen das Irreführungsverbot, wenn das nationale Regelungsinteresse am Schutz des inländischen Rechtsverkehrs das unionsrechtliche Interesse an freier und unbehinderter Niederlassung überwiegt und sich insbesondere keine milderen Mittel finden lassen, um eine Gefährdung des Rechtsverkehrs zu beseitigen


Schlagworte: Unternehmensrecht, Firma, ausländische Gesellschaft, inländische Zweigniederlassung, private company limited englischen Rechts, Unterscheidungskraft, Irreführung, Gesellschaftsstatut, Niederlassungsfreiheit
Gesetze:

§ 18 UGB, § 12 UGB, § 13 IPRG, § 29 UGB, Art 49 AEUV, Art 54 AEUV

GZ 6 Ob 67/10m, 16.03.2011

In dem beim LG für Zivilrechtssachen Graz geführten Firmenbuch ist unter FN ***** der ausländische Rechtsträger S***** LTD - eine private limited company nach englischem Recht - mit ihrer inländischen Zweigniederlassung in G***** und deren Tätigkeit "Unternehmensberatung" eingetragen. Die Gesellschaft ist im Gesellschaftsregister für England und Wales im Companies House in Cardiff registriert; sie führt seit August 2009 den in diesem Gesellschaftsregister eingetragenen Namen "Academy of Business Consulting LTD".

Das Erstgericht wies den Antrag auf Eintragung der Firma "Academy of Business Consulting LTD" mit der Begründung ab, die geänderte Firma sei iSd § 18 Abs 2 UGB täuschungsfähig. Abgesehen davon fehle es der nur aus Gattungsbezeichnungen zusammengesetzten Sachfirma an der nötigen Individualisierung und Unterscheidungs- bzw Kennzeichnungskraft.

OGH: Abgeleitet aus der in Art 49 AEUV (ex-Art 43 EG) und Art 54 AEUV (ex-Art 48 EG) garantierten Niederlassungsfreiheit ist nach der Rsp des EuGH die in einem Mitgliedstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat - unabhängig von dem Ort des tatsächlichen Verwaltungssitzes - in der Rechtsform anzuerkennen, in der sie gegründet wurde. Ihr Gesellschaftsstatut ist das Recht des Gründungsstaats.

Nach der in Österreich hM richtet sich nach internationalem Privatrecht (§ 13 Abs 1 IPRG) die Firma einer Gesellschaft grundsätzlich nach dem Gesellschaftsstatut. Da die Firma "Academy of Business Consulting Ltd" im Gesellschaftsregister für England und Wales eingetragen wurde, begegnet sie nach englischem Recht offensichtlich keinen Bedenken.

Eine private company limited englischen Rechts ist einer GmbH äquivalent. Weder § 12 UGB noch die Spezialbestimmung § 107 GmbHG und auch nicht die Elfte gesellschaftsrechtliche Richtlinie 89/666/EWG über die Offenlegung von Zweigniederlassungen enthalten spezielle Anforderungen für die Bildung der Firma einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft. Nach der in Österreich hM richtet sich die Firmenbildung auch in diesem Fall zunächst nach dem Gesellschaftsstatut, kommt doch einer in Österreich gelegenen Zweigniederlassung nach dem für diese Frage maßgeblichen österreichischen Recht keine Rechtsfähigkeit zu, sodass sie vom einheitlichen Gesellschaftsstatut erfasst wird.

Trotz der grundsätzlichen Maßgeblichkeit des jeweiligen ausländischen Firmenrechts sind nach hL im Weg einer international-privatrechtlichen Sonderanknüpfung zentrale Grundsätze österreichischen Firmenrechts zu beachten, namentlich der Grundsatz der Firmenwahrheit (das Irreführungsverbot) aus § 18 Abs 2 UGB und der - im Anlassfall nicht relevante - Grundsatz der Firmenunterscheidbarkeit nach § 29 UGB. Nach anderer Ansicht ist das Sitzrecht der Zweigniederlassung für die Beurteilung der Zulässigkeit ihrer Firma maßgeblich.

Eine Stellungnahme zur Frage, welche Kollisionsnorm zutrifft, ist nicht notwendig. Geht es nämlich - wie im zu entscheidenden Fall - um eine Gesellschaft, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EU gegründet wurde, ist bei der Anwendung österreichischer Firmenrechtsgrundsätze die - als unmittelbar anwendbares Unionsrecht - durch Art 49 und Art 54 AEUV gewährleistete unionsrechtliche Freiheit der Niederlassung einer Gesellschaft (auch in der Form von Zweigniederlassungen oder von Tochtergesellschaften [Art 49 Abs 1 Satz 2 AEUV]) zu beachten. Diese verbietet nicht nur Diskriminierungen von natürlichen Personen und Gesellschaften. Nach der Rsp des EuGH sind auch sonstige nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, nur unter vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein sowie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Die Verweigerung der Möglichkeit, von einer Niederlassung aus unter der Ursprungsfirma aktiv zu werden, ist nach zutreffender Ansicht als eine so intensive Einschränkung der Betätigungsmöglichkeit anzusehen, dass die Errichtung einer Zweigniederlassung als solche betroffen ist. Deshalb muss unter dem Gesichtspunkt der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit die im Gründungsstaat zulässig gebildete Firma einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft grundsätzlich unverändert und ohne Zusätze auch für im Inland errichtete Zweigniederlassungen verwendet werden dürfen.

Beschränkungen des (aus der Niederlassungsfreiheit abgeleiteten) Rechts, eine in einem Mitgliedstaat zulässige Firma auch im Inland zu gebrauchen, durch nationale Firmenrechtsgrundsätze können der Rsp des EuGH entsprechend nur unter den zuvor genannten vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt sein. Nach der Rsp des EuGH sind etwa inländische Vorschriften über das Mindestkapital nicht mit dem Gläubigerschutz als zwingendem Allgemeininteresse rechtfertigbar, sind doch die Gläubiger der ausländischen Gesellschaft hinreichend darüber unterrichtet, dass sie anderen Rechtsvorschriften als jenen unterliegt, die das Mindestkapital einer äquivalenten inländischen Gesellschaft regeln; der ausländische Gesellschaftszusatz reicht aus, um einen - potentiellen - Gläubiger zur Einholung weitergehender Informationen zu veranlassen. Eine nationale Vorschrift, die die Verwendung einer Geschäftsbezeichnung als besondere Unternehmensbezeichnung zum Schutz des Inhabers einer Geschäftsbezeichnung vor Verwechslungen verbietet, ist nach der Rsp des EuGH aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt. Als zwingendes Allgemeininteresse, dessen Schutz im vorliegenden Zusammenhang relevant ist, kommt der Verkehrsschutz (Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs) in Betracht. Es ist ferner für die Anwendung der Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit ohne Bedeutung, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur errichtet wurde, um sich in einem zweiten Mitgliedstaat niederzulassen, in dem die Geschäftstätigkeit im Wesentlichen oder ausschließlich ausgeübt wird. Der EuGH hat auch entschieden, dass der Umstand, dass eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat nur gegründet wurde, um in den Genuss vorteilhafterer Rechtsvorschriften - zB bezüglich eines Mindestkapitals - zu kommen, keinen Missbrauch darstellt.

Bei der Auslegung und Konkretisierung des § 18 Abs 1 und 2 UGB ist demnach die Bedeutung der Niederlassungsfreiheit zu berücksichtigen. Demnach verstieße die im Gründungsstaat zulässig gebildete Firma einer nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaft gegen das Irreführungsverbot, wenn das nationale Regelungsinteresse am Schutz des inländischen Rechtsverkehrs das unionsrechtliche Interesse an freier und unbehinderter Niederlassung überwiegt und sich insbesondere keine milderen Mittel finden lassen, um eine Gefährdung des Rechtsverkehrs zu beseitigen.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Firma des englischen Rechtsträgers "Academy of Business Consulting Ltd" als Firma seiner inländischen Zweigniederlassung bei der gebotenen europarechtskonformen Auslegung nicht wegen eines Verstoßes gegen § 18 Abs 1 und 2 UGB unzulässig. § 18 UGB bezieht sich auch auf die geänderte Firma.

Nach § 18 Abs 1 UGB muss die Firma zur Kennzeichnung des Unternehmens geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen. Soweit Aussprechbarkeit gewährleistet ist, können auch fremdsprachige Worte zur Firmenbildung verwendet werden. Sie müssen daher in lateinischen Buchstaben geschrieben werden, um zur Kennzeichnung geeignet zu sein. Dies gilt auch für ausländische Rechtsträger, die in das Firmenbuch einzutragen sind.

Nach der Rsp des OGH zu § 18 Abs 1 UGB sind reine Gattungsbezeichnungen oder Branchenangaben als - abgesehen von einem allenfalls erforderlichen Rechtsformzusatz - alleiniger Firmenbestandteil mangels Individualisierungswirkung zur Kennzeichnung nicht geeignet und daher unzulässig. Die Unzulässigkeit derartiger Angaben wird auch auf die Verletzung des Freihaltebedürfnisses des Rechtsverkehrs gegründet. An Unterscheidungskraft fehlt es reinen Sach- und Gattungsbezeichnungen, aber auch bloß geschäftlichen Bezeichnungen, solange sie nicht Verkehrsgeltung erlangt haben, an die bei einem entsprechenden Freihaltebedürfnis der Allgemeinheit allerdings hohe Anforderungen zu stellen sind, weil solchen Bezeichnungen ohne Verkehrsgeltung die zur Bejahung der Unterscheidungskraft hinreichende generelle und abstrakte Individualisierungseignung mangelt. Der gleiche Maßstab an die Unterscheidungskraft ist grundsätzlich auch an eine Kombination derartig allgemein gehaltener Elemente anzulegen. Dies gilt auch, wenn die betreffende Bezeichnung fremdsprachig ist und sich leicht übersetzen lässt oder gar im Inland von einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer verstanden wird. Bei zusammengesetzten Firmenwortlauten entscheidet der Gesamteindruck, nicht eine zergliedernde Betrachtung.

Gemessen an diesen Maßstäben des österreichischen Rechts mag der zur Eintragung angemeldeten, aus englischen, in Österreich einem durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer verständlichen reinen, Art und Gegenstand des Unternehmens beschreibenden Sach- und Gattungsbezeichnungen gebildeten Firma für die Zweigniederlassung der Rechtsmittelwerberin die Unterscheidungskraft fehlen. Zu verneinen ist aber, wie die Rechtsmittelwerberin geltend macht, ein zwingender Grund des Allgemeininteresses daran, die Benützung der Firma gerade in ihrer für die Beurteilung maßgeblichen konkreten Zusammensetzung aus diesen englischen Bezeichnungen für die Zweigniederlassung zu verweigern. Im Gegensatz zu einer einzelnen verwendeten Sach- und Gattungsbezeichnung ermöglicht die Kombination dieser Begriffe zum einen die Unterscheidung von Firmen anderer Rechtsträger in der gleichen Branche. Zum anderen besteht kein Bedürfnis, die konkrete Verbindung englischer Begriffe im Inland firmenrechtlich freizuhalten. Dritte können nämlich entsprechende Begriffe der deutschen Sprache in zulässiger Weise zur Firmenbildung verwenden.

Gem § 18 Abs 2 Satz 1 UGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Das Irreführungsverbot ist Ausdruck des Prinzips der Firmenwahrheit, der als Teil des Firmenordnungsrechts in erster Linie dem Schutz des Verkehrs dient.

Die Bestimmung entspricht § 18 Abs 2 Satz 1 dHGB idF der HGB-Reform 1998, an dem sich der Gesetzgeber des HaRÄG 2005, BGBl I 2005/120, orientierte, sodass die für die Errichtung der Wesentlichkeitsschwelle in der deutschen Bestimmung ergangene Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, BR-Drucks 340/97, 53, für die Auslegung von Bedeutung ist. Das Kriterium der Wesentlichkeit soll sicherstellen, dass nicht auch solche Angaben als zur Irreführung geeignet angesehen werden und damit einer Eintragung entgegenstehen, die nur von geringer wettbewerblicher Relevanz sind oder für die angesprochenen Verkehrskreise nur eine nebensächliche Bedeutung haben. Es soll "nicht allein auf das Verständnis eines 'nicht unerheblichen Teils' der angesprochenen Verkehrskreise, sondern - objektiviert - auf die Sicht der durchschnittlichen Angehörigen des betreffenden Personenkreises bei verständiger Würdigung ankommen".

Die vom Rekursgericht nach den Maßstäben österreichischen Rechts dargelegte Täuschungseignung des Begriffs "Academy" rechtfertigt die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit der Rechtsmittelwerberin durch die Verweigerung der Eintragung der geänderten Firma in das Firmenbuch nicht.

Das Täuschungsverbot findet sich zumindest ansatzweise in den Rechtsordnungen der EU-Staaten. Insoweit wird dem Allgemeininteresse des Verkehrsschutzes bereits durch das Recht des Gründungsstaats der Rechtsmittelwerberin Rechnung getragen. Im Hinblick auf die Eintragung des Namens der Rechtsmittelwerberin im Gesellschaftsregister für England und Wales, der für die Firma der inländischen Zweigniederlassung unverändert gebraucht werden soll, kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Beurteilung nach den Grundsätzen des englischen Rechts zur Vermeidung einer Irreführung durch die Firmenbezeichnung selbst vom Firmenwortlaut "Academy of Business Consulting Ltd" offenbar eine Irreführungsgefahr nicht besteht.

Im Bereich der Unternehmensberatung, dem Tätigkeitsbereich der inländischen Zweigniederlassung, sind Unternehmer die angesprochenen Verkehrskreise, die in der Regel eine erhöhte Professionalität haben und deshalb in einem geringeren Maß schutzbedürftig sind.

Wenngleich die Lauterkeit des Handelsverkehrs grundsätzlich ein zwingendes Allgemeininteresse ist, dürfen die zu ihrem Schutz gestellten Anforderungen nicht überspannt werden.

Dass der Firmenbestandteil "Academy" in Österreich die Fehlvorstellung hervorrufen kann, es liege eine private Lehranstalt vor, und dass diese Fehlvorstellung Unternehmensberatung suchende Unternehmer in ihrer Entscheidung beeinflussen könnte, ist eine Gefahr, vor der der inländische Rechtsverkehr nicht zwingend durch Verweigerung der Eintragung der unveränderten Firma der Rechtsmittelwerberin als Firma ihrer inländischen Zweigniederlassung geschützt werden muss. Zum einen ist der angesprochene Verkehrskreis geringer schutzbedürftig, zum anderen wäre diese Gefahr hinzunehmen, wenn die Rechtsmittelwerberin ihre nach dem Gründungsrecht zulässige Firma vom Gründungsstaat aus im inländischen Geschäftsverkehr gebraucht.