OGH: Zur Markenverletzung im Rahmen vergleichender Werbung
Ob im Fall vergleichender Werbung eine Markenverletzung vorliegt, hängt davon ab, ob die vergleichende Werbung den Anforderungen der RL 2006/114/EG entspricht; der Werbende nutzt den Ruf von Unterscheidungszeichen seines Mitbewerbers nicht in unlauterer Weise aus, wenn ein Hinweis auf diese Zeichen Voraussetzung für einen wirksamen Wettbewerb auf dem in Rede stehenden Markt ist; der Hinweis auf Marken und andere Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers in vergleichender Werbung ist nur dann gerechtfertigt, wenn er für den von der RL 2006/114/EG verfolgten Zweck, die Verbraucher über die Vorteile verschiedener Waren oder Dienstleistungen objektiv unterrichten zu können, geeignet und erforderlich ist
§ 10 MSchG, § 10a MSchG, Art 4 lit f der RL 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2006 über irreführende und vergleichende Werbung
GZ 17 Ob 2/11k, 23.03.2011
Die Beklagten verwenden ein der Wortmarke eines Mitbewerbers entsprechendes Zeichen im Rahmen vergleichender Werbung, indem sie in den beanstandeten Ankündigungen ihre Produkte mit jenen der mitbewerbenden Markeninhaberin vergleichen.
OGH: Vergleichende Werbung ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Gewerbes, die die Absatzförderung zum Ziel hat und Produkte oder Dienstleistungen von Mitbewerbern unmittelbar oder mittelbar erkennbar macht. Die Regelungen über vergleichende Werbung sollen dazu beitragen, dass Mitbewerber die Verbraucher über die Vorteile verschiedener Waren oder Dienstleistungen objektiv unterrichten können (ErwGr Nr 6 und 8 der RL 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 12. 2006 über irreführende und vergleichende Werbung).
Dass sich die verwendete Schrift (Velux) von der im Markenregister registrierten Schrift (VELUX) unterscheidet, ändert nichts an der Zeichenidentität: Einerseits hat der Anmelder einer Wortmarke keinen Einfluss auf die Wahl des von der Registrierungsbehörde verwendeten Schrifttyps, andererseits ist Schutzgegenstand einer Wortmarke die Wiedergabe in allen Standardschreibweisen und -schrifttypen.
Die Beklagten verwenden ein der Marke identes Zeichen zur Kennzeichnung von Vergleichsprodukten eines Mitbewerbers im Rahmen vergleichender Werbung. Auch diese Benutzung ist eine markenmäßige. Es genügt nämlich, dass die fremde Marke in der Werbung für eigene Produkte verwendet wird. Hingegen kommt es nicht darauf an, dass das Publikum irrtümlich meint, die Marke bezeichne Produkte des Werbenden.
Der Markeninhaber ist allerdings nicht berechtigt, einem Dritten die Benutzung eines seiner Marke identischen oder ähnlichen Zeichens in einer vergleichenden Werbung zu verbieten, die alle für eine solche erforderlichen Zulässigkeitsbedingungen erfüllt. Ob im Fall vergleichender Werbung eine Markenverletzung vorliegt, hängt demnach davon ab, ob die vergleichende Werbung den Anforderungen der RL 2006/114/EG entspricht.
Nach den Feststellungen besitzen die Klägerinnen einen Marktanteil von 85 % auf dem inländischen Markt für Dachflächenfenster, und die angesprochenen Verkehrskreise verbinden mit Velux-Dachfenstern höchste Qualitätsvorstellungen.
Wenn die Beklagte unter diesen Umständen ihre (Austausch-)Fenster im Rahmen vergleichender Werbung unter Nennung der Marke Velux bewirbt, verstößt sie gegen Art 4 lit f RL 2006/114/EG, weil sie den Ruf der Marke in unlauterer Weise zur Bewerbung ihrer eigenen Produkte ausnutzt. Die Unlauterkeit folgt aus dem Umstand, dass die Nennung der Marke des Marktführers unter den hier gegebenen Umständen nicht notwendig ist, um der Marktgegenseite für sie wesentliche Informationen zu vermitteln, kann doch jedes Dachfenster jedes Fremdherstellers gegen ein Produkt der Beklagten ausgetauscht werden. Die Beklagte verschafft sich daher ohne sachlichen Grund mit Hilfe des guten Rufs der fremden Marke ein Maß an Aufmerksamkeit, das ihren Produkten ohne die beanstandete Markennennung nicht in gleicher Weise zugute käme.
Damit kommt es nicht weiter darauf an, dass die beanstandete Markennennung darüber hinaus auch im Rahmen einer (gegen Art 4 lit a und d RL 2006/114/EG verstoßenden) irreführenden und herabsetzenden vergleichenden Werbung erfolgt ist, wie die Vorinstanzen im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung des Sachverhalts unbekämpft aufgezeigt haben.
Die unlautere Rufausnutzung beeinträchtigt die Herkunfts- und Werbefunktion der Marke der Klägerin. Damit liegt eine Markenrechtsverletzung vor, und es bleibt zu prüfen, ob der Rechtfertigungsgrund nach Art 12 lit c GMVO (= Art 6 Abs 1 lit c MarkenRL = § 10 Abs 3 Z 3 MSchG) gegeben ist, auf den sich die Beklagten berufen haben.
Die eingetragene Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke, falls dies notwendig ist, als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör oder Ersatzteil, oder einer Dienstleistung im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern dies den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht (§ 10 Abs 3 Z 3 MSchG).
Diese Bedingung ist Ausdruck einer Loyalitätspflicht im Hinblick auf die berechtigten Interessen des Markeninhabers. Die Benutzung einer Marke durch einen Dritten als Hinweis auf die Bestimmung einer von diesem Dritten vertriebenen Ware ist notwendig, wenn eine solche Benutzung praktisch das einzige Mittel ist, der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über diese Bestimmung zu liefern, um das System eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Markt für diese Ware zu erhalten. Der Werbende nutzt daher den Ruf von Unterscheidungszeichen seines Mitbewerbers nicht in unlauterer Weise aus, wenn ein Hinweis auf diese Zeichen Voraussetzung für einen wirksamen Wettbewerb auf dem in Rede stehenden Markt ist.
Daraus folgt, dass der in Frage stehende Rechtfertigungstatbestand als Ausnahmebestimmung eng auszulegen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Nutzung einer (zumindest) normal kennzeichnungskräftigen Marke zu beurteilen ist. Der Hinweis auf Marken und andere Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers in vergleichender Werbung ist nur dann gerechtfertigt, wenn er für den von der RL 2006/114/EG verfolgten Zweck, die Verbraucher über die Vorteile verschiedener Waren oder Dienstleistungen objektiv unterrichten zu können, geeignet und erforderlich ist.
Nach diesen Grundsätzen liegt im Anlassfall der Rechtfertigungsgrund nach Art 12 lit c GMVO nicht vor. Eine Bezugnahme auf die Marke des Marktführers ist nicht notwendig, um die Produkte der Beklagten vermarkten zu können. Um dem Verbraucher deren Bestimmung vor Augen zu führen, genügt schon der Hinweis, dass sich die Fenster der Beklagten zum Einbau in Dachschrägen eignen und vorhandene Fenster jeden gängigen Dachfenster-Typs ersetzen können, wobei aber auch Maßanfertigung möglich ist. Der Hinweis auf die Marke der Erstklägerin ist somit keine Voraussetzung für einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Dachfenster.