OGH: Zur (Inanspruchnahme einer) Bankgarantie
Im Hinblick auf das beträchtliche Risiko, das bei einer Bankgarantie für die garantierende Bank besteht, entspricht es der Verkehrssitte, dass der Wortlaut der Bankgarantie genau zu beachten ist; wird aber vom Begünstigten die vorgeschriebene Formulierung gebraucht, dann sind nur mehr solche Einwendungen zulässig, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben; ein Leistungsverweigerungsrecht kann uU dann bestehen, wenn das Anfordern der garantierten Leistung einen Rechtsmissbrauch darstellt
§ 880a ABGB
GZ 9 Ob 39/10s, 30.03.2011
OGH: Vorauszuschicken ist, dass der echte Garantievertrag im Gesetz nicht geregelt ist. Nicht weiter strittig ist aber, dass er nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit mit verschiedenem Inhalt geschlossen werden kann. Für den Garantievertrag ist die Begründung einer selbständigen Schuld typisch, die von der Verbindlichkeit des ursprünglichen Schuldverhältnisses unabhängig ist. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Bankgarantievertrag vom 6. 12. 2006 stellt einen in der Praxis bedeutsamen Anwendungsfall des echten Garantievertrags dar. Beim Bankgarantievertrag handelt es sich um einen selbständigen, von jedem anderen Schuldverhältnis unabhängigen, einseitig verpflichtenden Schuldvertrag, der in der Regel der Sicherung der Leistung eines Dritten, zumeist des Bankkunden, an den aus diesem Vertrag begünstigten Gläubiger in der Weise dienen soll, dass letzterem durch die Bank gewährleistet wird, dass er die Leistung bzw sein vertraglich festgesetztes geldliches Interesse an dieser auf jeden Fall erhält.
Besonders scharf betont ist die Abstraktheit bei einer Garantie "auf erstes Abfordern" oder "ohne Einwendung", wie sie auch hier vorliegt (arg "... verpflichten wir uns, ... Ihnen gegenüber unwiderruflich über Ihre erste schriftliche Aufforderung, unter Verzicht auf alle Einwendungen und Einreden sowie ohne Prüfung des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses, den uns namhaft gemachten Betrag ... zu überweisen"). Durch den Gebrauch der Formulierung "ohne Prüfung des zu Grunde liegenden Rechtsverhältnisses" wurden die abstrakte Rechtsposition des Begünstigten und damit die Abstraktheit der Garantie besonders betont. In diesem Fall ist dem Begünstigten auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, zunächst einmal Zahlung zu verschaffen; sein Vertragspartner ist auf den Weg einer Rückforderungsklage verwiesen.
Die gegenständliche Bankgarantie sieht vor, dass ihr Abruf durch den Begünstigten durch die Abgabe einer bestimmten Erklärung zu erfolgen hat ("... in dem dieser erklärt, dass das Gesellschaftsverhältnis VOR gänzlicher Kanzleiübernahme aufgekündigt ist und Hr. Mag. C***** P***** seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Gesellschafts- und Zusammenschlussvertrag samt diversen Ergänzungen ihm gegenüber nicht nachgekommen ist"). Die Bank kann, sobald der Begünstigte bei Abruf der Garantie die darin festgelegte formelhafte Erklärung abgibt, keine Einwendungen und Einreden aus dem zwischen Auftraggeber und Begünstigtem bestehenden Kausalverhältnis geltend machen, da es gerade der Sinn einer solchen Garantie ist, die Einstandsverpflichtung der Bank vom Kausalverhältnis zu lösen. Die Prüfung der materiellen Berechtigung des Zahlungsverlangens ist der Bank entzogen. Im Hinblick auf das beträchtliche Risiko, das bei einer Bankgarantie für die garantierende Bank besteht, entspricht es der Verkehrssitte, dass der Wortlaut der Bankgarantie genau zu beachten ist. Wird aber vom Begünstigten die vorgeschriebene Formulierung gebraucht, dann sind nur mehr solche Einwendungen zulässig, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben. Auch Garantieverträge sind Rechtsgeschäfte, die gem den §§ 914, 915 ABGB auszulegen sind.
Der für die Bankgarantie typische Ausschluss von Einwendungen aus dem Valutaverhältnis und dem Deckungsverhältnis darf nach der Rsp auch nicht auf Umwegen umgangen werden. Die Tatsache allein, dass der Auftraggeber der Auszahlung der Garantiesumme widerspricht, berechtigt die Bank nicht, dem Begünstigten die Leistung zu verweigern. Richtig ist, dass ein Leistungsverweigerungsrecht uU dann bestehen kann, wenn das Anfordern der garantierten Leistung einen Rechtsmissbrauch darstellt. Diesfalls muss aber die missbräuchliche Inanspruchnahme der Bankgarantie geradezu evident sein.