19.11.2005 Zivilrecht

OGH: Die Versorgung der Grundbedürfnisse und die Vertretung im Asylverfahren reichen nicht aus, um eine ernstliche Gefährdung im Sinne des Haager Minderjährigenschutzübereinkommen auszuschließen


Schlagworte: Familienrecht, Obsorge, Gefährdung, Kindeswohl, Asylverfahren
Gesetze:

Art 2, 3 und 8 Haager Minderjährigenschutzübereinkommen, §§ 144, 146 ABGB

In seinem Beschluss vom 19.10.2005 zur GZ 7 Ob 209/05v hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Gefährdung eines Minderjährigen im Sinne des Art 8 des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens auch dann vorliegt, wenn ein Minderjähriger im bereits anhängigen Verfahren entsprechend vertreten ist und für seine Grundbedürfnisse gesorgt wird, jedoch ein gesetzlicher Vertreter sonst nicht vorhanden bzw. erreichbar ist:

Von den Vorinstanzen wurde die Bestellung eines Obsorgeberechtigten für einen Minderjährigen nigerianischer Abstammung mit der Begründung abgelehnt, dass eine Gefährdung nicht vorliege. Zum einen sei die Grundversorgung des Minderjährigen gesichert, zum anderen werde er ohnedies im Asylverfahren vom Jugendwohlfahrtsträger vertreten.

Der OGH führte dazu aus: Nach den angeführten Bestimmungen ist ein Obsorgeberechtigter zu bestellen, wenn eine ernsthafte Gefährdung des Minderjährigen vorliegt, wobei jedoch eine gesetzliche Definition dieses Begriffes fehlt. Zweck der Bestimmungen ist der Schutz von Minderjährigen, wobei keine strengen Anforderungen an die Intensität der Gefährdung zu stellen sind. Es reicht jede konkrete Gefährdung, wobei deren Vorliegen nur nicht leichtfertig bejaht werden soll, sondern die gerichtliche Entscheidung soll sich am Kindeswohl orientieren. Der Minderjährige hat Anspruch auf Unterstützung, die ihm nur im Rahmen einer vollen Obsorge zukommen kann, weshalb die Versorgung seiner Grundbedürfnisse und die Vertretung im Asylverfahren nicht als ausreichend anzusehen ist.