OGH: Eine Pflichtteilsminderung scheidet aus, wenn der Vater über seine Rolle als "Zahlvater" hinaus die nach seinen Verhältnissen und den Lebensumständen des Kindes mögliche Anteilnahme an der Entwicklung und am Wohlergehen seines Nachkommen erkennen lässt
§ 773a Abs 1 ABGB
In seiner Entscheidung vom 27.09.2005 zur GZ 1 Ob 155/04g hatte sich der OGH mit Pflichtteilsminderung auseinander zu setzen:
Die Klägerin ist die uneheliche Tochter (geb. 1952) des Erblassers. Seit ihrer Geburt lebte sie vom Vater getrennt (Graz-Wien). In seinem Testament minderte er deren Pflichtteil auf die Hälfte. Bis zum Jahr 1970 besuchte der Erblasser die Klägerin regelmäßig alle 2 bis 3 Monate, von 1973 bis 1979 alle 7 bis 8 Monate; es gab auch regelmäßig Telefonkontakt. Danach kam es zu sehr wenig Kontakten, da dies von der Ehefrau des Erblassers - der Beklagten - nicht erwünscht war. Gegenüber Freunden und Verwandten erwähnte der Erblasser seine Tochter nicht.
Der OGH führte dazu aus: Voraussetzung für eine Pflichtteilsminderung sei, dass der Elternteil zu keiner Zeit am Wohlergehen und Werden des Kindes einen Anteil genommen habe. Davon könne gegenständlich nicht die Rede sein. Erforderlich sei eine geistig-emotionale Beziehung, die eine gewisse Zeit gedauert habe. Bei einer "unehelichen Beziehung" seien die Voraussetzungen nicht so streng; Kriterien seien das Alter, der Beruf und die Gesundheit der Beteiligten. Der Erblasser habe zumindest bis 1970 einen regelmäßigen, wenn auch lockeren Kontakt zu seiner Tochter gehabt. Den Eindruck, den Dritte gewinnen, sei irrelevant. Die Rolle des Erblassers gehe bei weitem über jene des bloßen "Zahlvaters" hinaus, weshalb die Pflichtteilsminderung nicht zu Recht bestehe.