OGH: Die Jugendwohlfahrtspflege beschränkt sich nicht auf die Wahrnehmung der Interessen bestimmter Individuen, sondern es werden auch öffentliche Interessen wahrgenommen; werden Interessen der Allgemeinheit mit behördlichem Zwang durchgesetzt, so liegt hoheitliches Handeln vor
§ 215 Abs 1 ABGB
In seinem Beschluss vom 27.09.2005 zur GZ 1 Ob 58/05v hatte sich der OGH mit der Jugendwohlfahrtspflege auseinander zu setzen:
Die Beklagte (Jugendamt) nahm der Klägerin (Mutter) das Kind wegen Gefahr im Verzug ab und beantragte (5.3.2001) die Entziehung der Pflege und Erziehung. Am 1.3. sei es angeblich zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit der Klägerin bzw. dem Stiefvater gekommen. Der Antrag wurde abgewiesen. Das Kind leidet an einem "hyperkinetischen Syndrom" und wohnte teilweise im Krisenzentrum bzw. einer Wohngemeinschaft. Die Gefährdung des Kindeswohles sei nicht auf das Verhalten der Klägerin, sondern lediglich den Gesundheitszustand des Kindes zurückzuführen. Die Klägerin begehrt nunmehr die Kosten, die ihr im Rahmen des Entzugsverfahrens entstanden sind. Der OGH führte dazu aus: Die öffentliche Jugendwohlfahrt übernehme eine Doppelfunktion, weshalb vorläufige Maßnahmen im Rahmen der Pflege und Erziehung (bspw. der teilweise Entzug der Obsorge) gegen den Willen der jeweils Berechtigten eine hoheitliche Handlung darstellten. Im Rahmen der Tätigkeit des Jugendwohlfahrtsträgers würden auch die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigt. Die Passivlegitimation der Beklagten sei daher zu bejahen. Es sei somit die Rechtswidrigkeit und das Verschulden der Beklagten zu prüfen, nämlich ob die Aufrechterhaltung des Antrages auf Entzug der Obsorge vertretbar war oder nicht.