OGH: Auch wenn der Hundehalter seinen Hund in einem Gebiet frei laufen lässt, von dem ihm bekannt ist, dass auch andere Hundehalter ein solches Verhalten pflegen, bewirkt dieser Umstand noch kein Handeln auf eigene Gefahr
§ 1 NÖ Polizeistrafgesetz, § 1320 ABGB
In seinem Erkenntnis vom 03.11.2005 zur GZ 6 Ob 227/05h hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bereits die Kenntnis eines Hundebesitzers vom freien Herumlaufen anderer Hunde als Einwilligung in sämtliche Gefahren zu werten ist:
Die Klägerin wurde beim Spaziergang mit ihrem eigenen Hund, den sie frei herumlaufen ließ, vom sich ebenfalls frei bewegenden Hund der Beklagten zu Sturz gebracht und zog sich dabei einen Oberschenkelhalsbruch zu. Die Beklagte hielt dem Begehren auf Ersatz von Schmerzengeld und Pflegekosten ein schweres Mitverschulden der Klägerin entgegen sowie den Mangel einer gesetzlich vorgesehenen absoluten Leinenpflicht. Die Vorinstanzen gaben dem Begehren statt, weil der Beklagten der Beweis einer sorgfältigen Verwahrung des Tieres nicht gelungen sei und kein Einverständnis der Hundehalter über den Freilauf der Hunde vorgelegen sei.
Der OGH führte dazu aus: Zweck der Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB ist der Schutz von Personen, die durch Bewegungen des Tieres geschädigt werden können. Eine Haftung gegenüber einem anderen Hundehalter ist dann auszuschließen, wenn die Hundehalter im gegenseitigen Einverständnis ihre Hunde frei laufen lassen und sich somit erkennbar auf die damit verbundenen Gefahren eingelassen haben. Für die Annahme eines solchen Einverständnisses reicht auch schon ein schlüssiges Verhalten aus. Keineswegs ausreichend ist jedoch nur die allgemeine Kenntnis, dass auch andere Hundehalter ihre Hunde nicht angeleint herumlaufen lassen könnten. Auch das Nichtanleinen des eigenen Hundes des Geschädigten führt für sich allein noch nicht zu einem Haftungsausschluss des Schädigers.