15.01.2006 Zivilrecht

OGH: Der Umfang und die Intensität einer Verkehrssicherungspflicht sind unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu bestimmen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Verkehrssicherungspflicht, Haftung, Gefahrenabwehr
Gesetze:

§§ 1294 ff ABGB

In seinem Beschluss vom 09.11.2005 zur GZ 7 Ob 245/05p hatte sich der OGH mit der Frage nach den Schutzpflichten eines Krankenhausträgers gegenüber zumindest latent selbstschädigungsgefährdeten Patienten auseinanderzusetzen:

Der Kläger litt bedingt durch einen Schiunfall an einem hirntraumatischen Durchgangssyndrom und wurde in der neurochirurgischen Intensivstation der Beklagten behandelt. Als typische Folgen dieser Krankheit gelten u.a. mangelnde Orientierung, Fluchttendenzen und Wahnvorstellungen. Der Kläger begehrt nunmehr Schadenersatz für seine Verletzungen, die er sich zugezogen hat, indem er sich aus dem Fenster stürzte. Das Pflegepersonal der Beklagten habe versagt und es wäre leicht möglich gewesen, das Fenster entsprechend zu sichern, zumal solche Krankheitsbilder auf der betreffenden Station regelmäßig vorkommen.

Der OGH führte dazu aus: Der Vertrag zwischen Patienten und Krankenanstalten umfasst auch die Pflicht, die körperliche Sicherheit des Patienten zu wahren. Der Rechtsträger einer Krankenanstalt hat daher für die Verkehrssicherheit und Gefahrlosigkeit der gesamten Anstalt zu sorgen. Eine solche Verkehrssicherungspflicht darf jedoch nicht überspannt werden, um nicht einer verschuldensunabhängige Haftung gleichzukommen. Der Umfang solcher Maßnahmen hat sich danach zu richten, inwieweit solche zumutbar und für eine Gefahrenabwehr geeignet sind. Die Verkehrssicherungspflicht wird darüber hinaus eingeschränkt, wenn eine Gefahr für den Verkehrsteilnehmer erkennbar ist und er sich dementsprechend verhalten kann.