11.03.2006 Zivilrecht

OGH: Auch wahrheitsgemäße Tatsachenbehauptungen sind nur dann zulässig, wenn das allgemeine Informationsinteresse überwiegt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Ehrverletzung, Rufschädigung, Interessensabwägung, Pressefreiheit, Meinungsfreiheit
Gesetze:

§ 1330 ABGB, § 78 UrhG, Art 8 MRK

In seinem Beschluss vom 15.12.2005 zur GZ 6 Ob 211/05f hatte sich der OGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob und auf welcher Rechtsgrundlage auch wahrheitsgemäße Tatsachenbehauptungen verboten werden können:

Der Antrag des Klägers auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung richtete sich auf die Unterlassung von ehrverletzenden und rufschädigenden Vorwürfen von homosexuellen Übergriffen im Zusammenhang mit dem Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses sowie der Veröffentlichung von Bildmaterial zur Untermauerung dieser Behauptungen. Anlassfall war die Berichterstattung der Beklagten über sexuelle Gepflogenheiten zwischen dem Leiter des Priesterseminars St. Pölten und dessen Schülern.

Der OGH führte dazu aus: Unter bestimmten Voraussetzungen kann auch die Verbreitung wahrheitsgemäßer Tatsachen rechtswidrig sein und zwar dann, wenn sich aufgrund einer Interessensabwägung ergibt, dass die Interessen des Verletzten unnötig verletzt wurden und kein überwiegendes Informationsbedürfnis bestand. Allerdings genießen die Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und das allgemeine Informationsbedürfnis einen sehr hohen Stellenwert und auch der EGMR wendet hier einen großzügigen Maßstab an. Da es sich bei dem Thema der Homosexualität von kirchlichen Institutionen um ein grundlegendes Thema handelt, welches auch öffentlich wiederholt diskutiert wird, überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an einer entsprechenden Information. Nicht gerechtfertigt ist jedoch die damit im Zusammenhang stehende Veröffentlichung von Bildmaterial, weil die Befriedigung der Sensationslust keine Rechtfertigung für den Eingriff in das absolute Persönlichkeitsrecht des Verletzten bietet.