11.08.2006 Zivilrecht

OGH: Ein rechtliches Feststellungsinteresse ist dann zu bejahen, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht, was insbesondere dann der Fall ist, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheint, etwa wenn der Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Sozialrecht, aufrechtes Arbeitsverhältnis, künftige Schäden
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

Mit Beschluss vom 07.06.2006 zur GZ 9 ObA 87/05t hatte sich der OGH mit dem rechtlichen Interesse an einer Feststellung auseinander zu setzen:

Die Klägerin ist beim Beklagten im Angestelltenverhältnis beschäftigt, das Arbeitsverhältnis ist aufrecht. Sie besaß gegenüber dem Beklagten eine direkte Leistungszusage auf eine Betriebspension als Bestandteil ihres Einzelvertrages nach dem sogenannten Pensionszuschussregulativ. Der Beklagte verpflichtete sich, das Deckungserfordernis aufgrund der direkten Leistungszusage an den Arbeitnehmer als Beitrag gemäß § 48 Pensionskassengesetz an die Pensionskasse zu überweisen. Reichen die in der Pensionskasse vorhandenen Mittel nicht aus, um die Leistungsverpflichtungen voll zu erfüllen, so verpflichtete sich der Beklagte zum Nachschuss der erforderlichen Beträge.

Die Klägerin bringt vor, der Beklagte sei seinen Aufklärungspflichten (erhöhtes Risiko) gegenüber der Klägerin nicht nachgekommen. Der Beklagte hafte der Klägerin für allfällige künftige Ausfälle aus dem Titel des Schadenersatzes aufgrund seiner unzureichenden Aufklärung. Die Klägerin habe schon jetzt ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung des Beklagten.

Dazu der OGH: Der Klägerin kann ein rechtliches Feststellungsinteresse dann nicht abgesprochen werden, wenn die behaupteten Einbrüche bereits aktueller Pensionsleistungen aufgrund unzureichender Veranlagungserfolge der Pensionskasse eingetreten sind und den Beklagten der berechtigte Vorwurf unzureichender Aufklärung treffen sollte.

In jüngerer Zeit wurde ein Feststellungsinteresse auch ohne Vorliegen besonders schadensträchtiger Ereignisse - neben deliktischer Haftung nach § 1330 ABGB oder nach dem Urheberrechtsgesetz - auch bei Vertragspflichtverletzungen (Beratungsfehler, unberechtigter Vertragsrücktritt, Anraten der Beteiligung an einem Aktienfonds als "sichere Pensionsanlage" bei zunächst negativer aber nicht endgültig absehbarer Entwicklung) anerkannt. Dass Klagen auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden selbst dann zugelassen werden, wenn noch kein feststellbarer Schaden eingetreten ist und nur die Möglichkeit besteht, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt ermöglichen kann, entspricht der Rechtsprechung. In diesen Fällen bejaht die Rechtsprechung das Feststellungsinteresse aus prozessökonomischen Gründen, obwohl streng genommen ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis noch nicht vorliegt. Lehre und Rechtsprechung bejahen ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung dann, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses besteht, was insbesondere dann der Fall ist, wenn das Rechtsverhältnis durch eine ernsthafte Unsicherheit gefährdet erscheint, etwa wenn der Beklagte ein Recht des Klägers hartnäckig bestreitet. Sie soll vorbeugenden Rechtsschutz gewähren und ist daher immer schon dann zulässig, wenn aufgrund des Verhaltens des Beklagten eine erhebliche objektive Ungewissheit über den Bestand des Rechts entstanden ist und diese Ungewissheit durch die Rechtskraftwirkung des Feststellungsurteils beseitigt werden kann.