18.08.2006 Zivilrecht

OGH: Die Anordnung eines Wechsels in der Obsorge ist eine Notmaßnahme und unterliegt einem strengen Maßstab


Schlagworte: Familienrecht, Obsorgewechsel, Gewaltanwendung, Maßstab, Kindeswohl
Gesetze:

§ 146a ABGB

In seinem Beschluss vom 21.06.2006 zur GZ 7 Ob 47/06x hatte sich der OGH mit den Voraussetzungen für eine Übertragung der Obsorge auseinanderzusetzen:

Anlässlich ihrer Scheidung kamen die Eltern überein, dass dem Vater die alleinige Obsorge über die gemeinsame Tochter zukommen soll. Seither lebt das Kind bei seinem Vater und den Großeltern väterlicherseits. Die Mutter beantragt jedoch nunmehr die Übertragung der Obsorgeberechtigung mit der Begründung, dass die Tochter sowohl vom Vater als auch den Großeltern geschlagen und dahingehend beeinflusst werde, gegenüber der Mutter eine ablehnende Haltung einzunehmen. Das Erstgericht sah mangels Anhaltspunkte für eine Gewaltanwendung keinen Anlass für eine Übertragung der Obsorge. Zwar wurde diese Entscheidung durch das Rekursgericht bestätigt, jedoch wurde eine Verletzung des Gewaltverbots festgestellt. Allerdings sei ein Obsorgewechsel zur Vermeidung von Nachteilen für das Kind nicht notwendig, weil bereits ausreichende Kontrollmaßnahmen initiiert worden seien.

Der OGH führte dazu aus: Ein Wechsel in den Erziehungs- und Pflegeverhältnissen ist nur dann durchzuführen, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist und diese Vorgangsweise daher dringend geboten ist. Bei dieser Entscheidung ist allerdings ein strenger Maßstab anzulegen. Die Obsorge ist demnach zu entziehen bei Vernachlässigung der Erziehungspflichten, Missbrauch der Erziehungsgewalt oder Unvermögen zur Erfüllung der Erziehungsaufgabe. Die Anwendung von Gewalt, sei es auch durch Dritte, rechtfertigt jedenfalls den Entzug der Obsorge. Bei der Entscheidung ist allerdings nicht nur die momentane Situation zu berücksichtigen, sondern es ist auch eine Zukunftsprognose miteinzubeziehen. Um eine sachgerechte Entscheidung treffen zu können, muss eine höchst aktuelle Tatsachengrundlage ermittelt werden.