08.09.2006 Zivilrecht

OGH: Auch im Eisenbahnfrachtrecht kann sich der Schädiger auf ein Mitverschulden des Geschädigten berufen


Schlagworte: Eisenbahnfrachtrecht, Behauptungs- und Beweislast, Mitverschulden
Gesetze:

§ 94 Abs 2 und 3 EBG, § 1304 ABGB, Art 29 CMR, § 438 HGB

In seinem Erkenntnis vom 20.06.2006 zur GZ 4 Ob 77/06m hatte sich der OGH mit der Haftung des Empfängers für schuldhaftes Verhalten des Absenders im Bereich des Eisenbahnfrachtrechts und dem Entfall von Haftungsbefreiungen bei grobem Verschulden des Frachtführers auseinanderzusetzen:

Die Klage auf Schadenersatz umfasste den Warenwert, Entsorgungskosten sowie Fracht- und Einlagerungskosten für Zucker, nachdem dieser in einem chemisch verunreinigten Waggon des beklagten Eisenbahnunternehmens transportiert und dadurch verdorben wurde. Sowohl in der Vergangenheit als auch während des Verfahrens stellte die beklagte Partei mehrmals kontaminierte Waggons für Zuckertransporte bereit. Die beklagte Partei wandte ein Mitverschulden der klagenden Partei ein, weil diese bzw. die Nebenintervenientin als Absenderin aufgrund des üblen Geruchs und in Kenntnis, dass Zucker eine sehr empfindliche Ware sei, den Waggon als ungeeignet zurückweisen hätte müssen.

Der OGH führte dazu aus: Zwar gilt grundsätzlich auch im Transportrecht der Grundsatz, dass die Behauptungs- und Beweislast für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit den Geschädigten trifft, soweit es sich dabei jedoch um Umstände handelt, die in der Sphäre des Frachtführers liegen, hat dieser nach Treu und Glauben darzulegen, wie die Sicherung des übernommenen Gutes organisiert und welche Maßnahmen im konkreten Fall getroffen wurden. Soweit sich eine Partei auf § 182a ZPO beruft, muss auch jenes Vorbringen ausgeführt werden, welches aufgrund der nicht beachteten Rechtsansicht erstattet worden wäre, andernfalls ist auf die Verfahrensrüge nicht einzugehen. Im Eisenbahnfrachtrecht gilt der allgemeine Grundsatz des § 1304 ABGB, wonach auch bei grobem Verschulden des Schädigers ein Fehlverhalten des Geschädigten von Bedeutung sein kann und der Mitverschuldenseinwand lediglich bei Vorsatz auszuschließen ist.