OGH: Ein Fruchtgenussberechtigter ist zum Abschluss von ortsüblichen Mietverträgen berechtigt
§§ 472 ff ABGB, § 879 ABGB, § 1295 ABGB
In seinem Erkenntnis vom 27.06.2006 zur GZ 3 Ob 66/06m hat sich der OGH mit dem Fruchtgenuss und der Berechtigung zum Abschluss von Mietverträgen befasst:
Die Kläger hatten 1985 eine Liegenschaft in Dornbirn erworben und kamen mit ihrer Tante überein, dass diese mit ihren Geldmitteln um 3,5 Mio S auf der Liegenschaft ein Einfamilienwohnhaus gegen Einräumung eines lebenslänglichen Fruchtgenussrechts errichtet. Es kam zu einem Zerwürfnis. 1992 vermietete die Tante "ihr Haus" an die beklagte Partei um 300 S monatliche Miete (diese Miete lag unter 10 % des ortsüblichen Mietzinses) und erklärte einen Kündigungsverzicht auf 100 Jahre. Die Tante verstarb 2003.
Mit ihrer Klage begehrten die Miteigentümer der Liegenschaft die Räumung wegen titelloser Benützung, hilfsweise die Feststellung, dass die Vertragspunkte des Mietvertrags über den Kündigungsverzicht und den Mietzins die Kläger als Rechtsnachfolger der Vermieterin nicht bänden. Der Mietvertrag sei sittenwidrig und nichtig.
Dazu der OGH: Ein Fruchtgenussberechtigter ist zum Abschluss eines Mietvertrags berechtigt, in den die Liegenschaftseigentümer nach dem Tod des Fruchtgenussberechtigten eintreten und an den gebunden sind. Die Fruchtgenussberechtigte war zwar zum Abschluss von ortsüblichen Mietverträgen berechtigt, nicht aber zu einer über ihren Tod weit hinausreichenden unentgeltlichen oder fast unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung. Rechtsmissbrauch (§ 1295 ABGB) liegt nach stRsp immer schon dann vor, wenn das unlautere Motiv der Handlung (der Schädigungszweck) gegenüber lauteren Motiven augenscheinlich im Vordergrund steht. Es liegt auf der Hand, dass die Fruchtgenussberechtigte für den Abschluss eines über ihren Tod hinausreichenden Mietvertrags mit einem ganz geringen Mietzins kein darüber hinausgehendes ins Gewicht fallendes weiteres Motiv haben konnte. Ob der Mieter daran als Begünstigter und Mittäter teilgenommen hat, hängt zwingend von seiner Kenntnis über den Missbrauchstatbestand ab.