22.09.2006 Zivilrecht

OGH: Die Haftung nach dem AHG ist nach der Funktionstheorie zu beurteilen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Amtshaftung, handelndes Organ
Gesetze:

§§ 11, 12, 14, 19, 22 NÖ Kindergartengesetz 1966 (NÖKGG)

In seinem Beschluss vom 11.07.2006 zur Gz 1 Ob 107/06a hatte sich der OGH mit den Bestimmungen des Niederösterreichischen Kindergartengesetzes auseinanderzusetzen:

Die klagende Gemeinde wurde zum Schadenersatz gegenüber einem Kind verurteilt, welches infolge mangelnder Aufsicht durch die Kindergärtnerin durch einen Liegestuhl verletzt wurde. Im gegenständlichen Verfahren begehrte die klagende Gemeinde vom Land Niederösterreich den Rückersatz der erbrachten Leistungen, weil diesem als Dienstgeber der Kindergärtnerin deren Verschulden zuzurechnen sei und diese als Aufsichtsbehörde nach den NÖKGG hafte. Die beklagte Partei hielt dem entgegen, dass die Kindergärtnerin nicht als deren Organ und damit nicht hoheitlich gehandelt habe.

Der OGH führte dazu aus: Bei der Frage, welchen Rechtsträger die Haftung nach dem AHG trifft, ist die sogenannte Funktionstheorie entscheidend, d.h. es ist darauf abzustellen, für welchen Rechtsträger das betreffende Organ im Zeitpunkt der schuldhaften Rechtsverletzung funktionell tätig war bzw. tätig zu sein hatte. Da im gegenständlichen Fall eine funktionelle Tätigkeit für die Gemeinde ausgeübt wurde, erübrigt sich die Frage, ob die Betreuung einer Kleinkindergruppe als hoheitliche oder privatwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen ist. Dem beklagten Land Niederösterreich kommt die fachliche Aufsicht und Beratung über den Kindergarten zu. Diese Überwachungspflichten sind als Sorgfaltsverbindlichkeiten und nicht als Erfolgsverbindlichkeiten zu verstehen.