OGH: Im Regelfall wird die Operation einer Partei - im Zuge einer Mitwirkungspflicht bei Beweisnotstand der gegnerischen Partei - nicht zumutbar sein
§§ 1295 ff ABGB
In seinem Beschluss vom 26.07.2006 zur GZ 3 Ob 106/06v hat sich der OGH mit der Mitwirkungspflicht der Partei bei Beweisnotstand befasst:
Der Beklagte führte am Auge der Klägerin eine Laser-Operation durch. Die Klägerin begehrt Schadenersatz wegen mangelhafter Leistung. Der Beklagte wendet ein, ein ärztlicher Kunstfehler liege nicht vor (der Graue Star wäre nicht operationskausal). Zur Klärung dieser Frage wäre eine - erneute - Operation nötig.
Dazu der OGH: Es muss geprüft werden, ob die Klägerin aus rechtlichen Gründen auf die Durchführung einer Operation des Grauen Stars verwiesen werden darf, die es ermöglichte, den vollen Beweis des Kausalablaufs zu erbringen. Im Fall eines Beweisnotstands des Gegners darf der andere ihm zur Verfügung stehende Beweismittel unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit nicht vorenthalten. Immer findet aber die prozessuale Diligenzpflicht ihre Grenze in der Anwendung der zumutbaren Sorgfalt nach den Umständen des Einzelfalls.
Bei der Frage der Zumutbarkeit - wobei der vorliegende Fall die Besonderheit aufweist, dass eine Prozesspartei mit einer Operation erst ein Beweismittel schafft - ist ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Im Regelfall wird die Operation einer Prozesspartei nicht zumutbar sein, weil es um die Unverletzlichkeit der Person, also um ein besonders hohes, absolut geschütztes Gut geht. Ein genereller Ausschluss einer prozessualen Mitwirkungspflicht durch Vornahme einer Operation erscheint dem erkennenden Senat aber bedenklich, weil immerhin Umstände denkbar sind, die für eine Zumutbarkeit sprechen könnten, etwa dann, wenn eine Operation in absehbar kurzer Zeit ohnehin geradezu unumgänglich sein wird und die Weigerung der Prozesspartei, die Operation schon jetzt durchzuführen, nicht mit besonderen Gründen abgelehnt wird, sodass nur das Motiv der Weigerung übrig bleibt, den Beweisnotstand des Prozessgegners für sich auszunützen.