20.10.2006 Zivilrecht

OGH: Unterhaltsvorschüsse iSd UVG sind Leistungen der sozialen Sicherheit iSd Wanderarbeitnehmerverordnung; kommt ein in Österreich inhaftierter Strafgefangener (EU-Bürger) seiner Arbeitspflicht nach, so vermittelt er seinen Kindern einen Unterhaltsvorschussanspruch nach § 4 Z 3 UVG


Schlagworte: Familienrecht, Unterhaltsvorschuss, EU-Bürger, Strafgefangener, Arbeitspflicht
Gesetze:

§ 4 Z 3 UVG, § 44 StVG, § 66a AlVG, Verordnung (EWG) Nr 1408/71

In seinem Beschluss vom 17.08.2006 zur GZ 10 Ob 53/06a hat sich der OGH mit dem UVG und der Wanderarbeitnehmerverordnung befasst:

Die mj Antragstellerin Victoria C*****, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Wien hat und eine polnisch-mexikanische Doppelstaatsbürgerin ist, beantragte einen Unterhaltsvorschuss. Der Vater, ein polnischer Staatsangehöriger, verbüßt seit Juli 2003 in Österreich eine lebenslange Haftstrafe.

Dazu der OGH: Bei den Unterhaltsvorschüssen nach dem UVG handelt es sich um eine Familienleistung iSd Verordnung (EWG) Nr 1408/71. Auch Haftvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG wurden vom EuGH so qualifiziert. Die "Wanderarbeitnehmer-Verordnung" (EWG) Nr 1408/71 gilt nach ihrem Art 2 Abs 1 ua für Arbeitnehmer, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten, sowie für deren Familienangehörige. Der Begriff des "Arbeitnehmers" ist in Art 1 lit a der VO 1408/71 definiert. Darunter ist jede Person zu verstehen, die gegen ein Risiko oder gegen mehrere Risiken, die von den Zweigen der sozialen Sicherheit (ua) für Arbeitnehmer erfasst werden, pflichtversichert oder freiwillig weiterversichert ist. Kommt ein in Österreich inhaftierter Strafgefangener seiner Arbeitspflicht (§ 44 StVG) nach, ist er gemäß § 66a AlVG im System der sozialen Sicherheit gegen Arbeitslosigkeit versichert; er ist als Arbeitnehmer iSd Art 1 lit a der VO 1408/71 anzusehen und vermittelt daher gemäß Art 3 der VO 1408/71 seinen Kindern als seinen Familienangehörigen einen Unterhaltsvorschussanspruch nach § 4 Z 3 UVG.