31.01.2007 Zivilrecht

OGH: Bei der Bankgarantie legen die Interessen der Bank eine strenge, am Wortlaut haftende Auslegung nahe; ein Abweichen vom Wortlaut kann dann zulässig sein, wenn die Auszahlung der Garantie nicht (allein) von einer Erklärung des Begünstigten abhängt, sondern von "externen", oft mit dem Grundverhältnis verketteten Umständen


Schlagworte: Garantievertrag, formelle Garantiestrenge
Gesetze:

§ 880a ABGB, § 914 ABGB, § 915 ABGB

In seinem Erkenntnis vom 21.11.2006 zur GZ 4 Ob 149/06z hat sich der OGH mit der Bankgarantie befasst:

OGH: Der Garant muss zur Sicherung seiner Rückgriffsansprüche vom Begünstigten die strikte, "pedantisch genaue" Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen verlangen ("formelle Garantiestrenge"). Entspricht ein bei der Inanspruchnahme der Garantie vorzulegendes Dokument nicht dem in der Garantieurkunde vorgeschriebenen Inhalt, dann liegt keine formgerechte Inanspruchnahme vor, und der Garant kann die im Garantievertrag verbriefte Leistung ablehnen. Auch die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebenen Erklärungen des Garanten unterliegen allerdings den Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB. Dabei ist auf die konkreten Umstände, insbesondere auf den Geschäftszweck und die Interessenlage der Beteiligten, Bedacht zu nehmen. Die formelle Garantiestrenge ist in diesem Zusammenhang "kein Selbstzweck", sondern trägt nur soweit, als das dem Willen der Vertragsparteien entspricht.

Die Interessen der Bank legen jedenfalls eine strenge, am Wortlaut haftende Auslegung nahe. Denn sie steht als Garantin im Spannungsverhältnis zwischen ihrem Auftraggeber und dem Begünstigten. Ein Abweichen vom Wortlaut wurde bisher vor allem dann als zulässig angesehen, wenn sich der Sachverhalt unvorhergesehen entwickelt hatte oder wenn Urkunden vorzulegen waren, deren Inhalt der Begünstigte nicht beeinflussen konnte. Diesen Fällen ist gemeinsam, dass die Auszahlung der Garantie nicht (allein) von einer Erklärung des Begünstigten abhing, sondern von "externen", oft mit dem Grundverhältnis verketteten Umständen. Hier kann tatsächlich das Interesse des Begünstigten am Abweichen vom Wortlaut schwerer wiegen als jenes der Garantin an einer "pedantischen Erfüllung" der Garantiebedingungen; "Wortklauberei" entspräche dann nicht der Absicht redlicher Parteien (§ 914 ABGB). Die Interessenlage ist deutlich anders, wenn die Auszahlung nur von einer Erklärung des Begünstigten abhängt. Denn in diesem Fall ist nicht ersichtlich, warum er ein (legitimes) Interesse daran haben soll, etwas anderes zu erklären als in der Bankgarantie vorgesehen. Umgekehrt bleibt für die Garantin die Gefahr bestehen, durch Akzeptieren eines Abweichens vom Wortlaut in einen Streit mit ihrem Auftraggeber zu geraten. Das spricht dafür, in solchen Fällen bei der vollen Garantiestrenge zu bleiben.