OGH: Zur Aufrechnung iZm Pkt 8.4.2. ÖNORM B 2110
Die Aufrechnung mit strittigen Gegenforderungen kann einer „Zahlung“ iSd Pkt 8.4.2. ÖNORM B 2110 nicht gleichgehalten werden, weil nur dann, wenn die Gegenforderung berechtigt ist, Tilgungswirkung eintritt
Pkt 8 ÖNORM B 2110, §§ 1165 ff ABGB, § 1052 ABGB, §§ 1438 ff ABGB
GZ 1 Ob 88/25k, 09.09.2025
OGH: Die Frage, ob auch eine Aufrechnungserklärung die Vorbehaltsfrist nach Pkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 auslöst, musste vom OGH bislang nicht beantwortet werden.
Die Lit ist der Ansicht, dass mit der Aufrechnung ein „Zahlungsakt“ vorliege, der die Frist zur Erhebung eines Vorbehalts auslöse. Nach der ÖNORM komme auch die Aufrechnung als Zahlung in Frage. Habe der Auftragnehmer die Aufrechnungserklärung erhalten, sei seine Forderung nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen befriedigt. Erhebe er keinen rechtzeitigen Vorbehalt, gebe es keinen vernünftigen Grund, an seinem Verzicht auf seine (restliche) Werklohnforderung zu zweifeln. Die Aufrechnung stehe einer Schlusszahlung gleich und mit Zugang der Aufrechnungserklärung beginne unter den Voraussetzungen des Pkt 8.4.2. ÖNORM B 2110 die Vorbehaltsfrist zu laufen. Sie räumt aber ein, dass dann, wenn die aufrechnungsweise eingewandte Gegenforderung unberechtigt gewesen sein sollte, mangels Aufrechnung gar keine Zahlung erfolgt sei und damit Pkt 8.4.2. ÖNORM B 2110 nicht anwendbar sei. Gerade Letzteres spricht dagegen, die Aufrechnung mit einer strittigen Gegenforderung des Auftraggebers einer Zahlung iSd genannten Bestimmung gleichzustellen:
Bei der Aufrechnungserklärung handelt es sich um die Ausübung eines Gestaltungsrechts durch eine formlose, empfangsbedürftige Willenserklärung, die auf die Herbeiführung der Aufrechnungswirkung gerichtet ist. Es trifft zwar zu, dass die Aufrechnung grundsätzlich wie eine wechselseitige Zahlung wirkt. Zu einem Skontoabzug für den Fall fristgerechter „Zahlung“ berechtigt aber, um dem Wesen eines Skontos gerecht zu werden, nur die Aufrechnung mit einer unbestrittenen Gegenforderung. Vergleichbares muss auch in diesem Fall gelten: Die Aufrechnung mit strittigen Gegenforderungen - wie hier - kann einer „Zahlung“ iSd Pkt 8.4.2. der ÖNORM B 2110 jedenfalls nicht gleichgehalten werden, weil nur dann, wenn die Gegenforderung berechtigt ist, Tilgungswirkung eintritt.