OGH: Zur Berufsunfähigkeit nach § 273 Abs 1 ASVG
Für die Bildung der Berufsgruppen nach § 273 ASVG kommt nicht der Unterscheidung zwischen kaufmännischen und höheren nicht-kaufmännischen Tätigkeiten die entscheidende Bedeutung zu, sondern - im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der gleichwertigen Kenntnisse und Fähigkeiten - der Unterscheidung zwischen kaufmännischen und technischen Angestelltenberufen; spezialisierende Zusatzausbildungen engen die Berufsgruppe nicht ein; einem Angestellten kommt kein Branchenschutz zu; entscheidend sind die "ähnliche" Ausbildung und die "gleichwertigen" Kenntnisse und Fähigkeiten
§ 273 Abs 1 ASVG
GZ 10 ObS 2/10g, 01.06.2010
OGH: Nach der Rsp liegt der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bei Angestellten (Berufsunfähigkeit nach § 273 ASVG) dann vor, wenn der Versicherte weder die zuletzt (nicht nur vorübergehend) ausgeübte Angestelltentätigkeit noch dieser Tätigkeit gleichwertige Tätigkeiten im Rahmen seiner Berufsgruppe zu verrichten imstande ist. Dieser zuletzt ausgeübte Beruf bestimmt das Verweisungsfeld, dh die Summe aller Berufe, die derselben Berufsgruppe zuzurechnen sind, weil sie eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige (nicht gleiche oder gleichartige) Kenntnisse und Fähigkeiten verlangen. Hintergrund ist, dass der Versicherte die erworbenen qualifizierten beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten in den Verweisungsberufen verwerten kann, weshalb eine Verweisung auf eine Berufssparte mit völlig anders gearteten Anforderungen ausgeschlossen ist. In diesem Sinn wird von der Rsp eine Verweisbarkeit von einem technischen Beruf auf einen kaufmännischen Beruf und umgekehrt ausgeschlossen. Soweit sich der Versicherte allerdings nur durch Zusatzausbildungen in einem Beruf spezialisiert hat, wird dadurch die Berufsgruppe nicht eingeengt.
Nicht zulässig ist nach der Rsp die Verweisung auf Tätigkeiten, die mit einem unzumutbaren sozialen Abstieg verbunden wären. Dabei kommt es auf den sozialen Wert an, den die Ausbildung und die Kenntnisse und Fähigkeiten haben, die in der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit des Versicherten von Bedeutung waren. Die Einstufung einer Tätigkeit in eine kollektivvertragliche Beschäftigungsgruppe, für die jene Ausbildung und jene Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden, die für den Versicherten in seiner zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit erforderlich waren und auch angewendet wurden, kann zur Beurteilung des sozialen Werts einer Tätigkeit herangezogen werden.
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen ist die Tätigkeit eines Croupiers aus berufskundlicher Sicht mit einer der Beschäftigungsgruppe 4 unterfallenden Tätigkeit "vergleichbar", die Fremdsprachenkenntnisse erfordert und verantwortungsvolle geistige Arbeiten umfasst.
Damit wird aber keine Aussage darüber getroffen, ob ein Croupier über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, wie sie in Berufen der Beschäftigungsgruppe 4 von Kollektivverträgen aus dem kaufmännischen Bereich gefordert werden (beispielhaft kann der Kollektivvertrag der Handelsangestellten herangezogen werden). Selbst wenn ein Versicherter über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt, die ihm ermöglichten, an seinem konkreten Arbeitsplatz eine Tätigkeit in dem in der Beschäftigungsgruppe 4 eines Kollektivvertrags umschriebenen Umfang zu entfalten, würde sogar eine Verweisung auf Tätigkeiten der Berufsgruppe 2 keinen unzumutbaren sozialen Abstieg bewirken, wenn er sonst über keinerlei Kenntnisse und Fähigkeiten der Beschäftigungsgruppe 4 verfügt bzw solche nicht anzuwenden hat.
In erster Linie ist zu klären, ob der Kläger über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt (und diese auch anzuwenden hatte), wie sie in Berufen der Beschäftigungsgruppe 4 eines Kollektivvertrags aus dem kaufmännischen Bereich gefordert werden. Davon hängt die weiters zu beurteilende Frage ab, auf welche kollektivvertragliche Beschäftigungsgruppe der Kläger verweisbar ist (nach stRsp kommen Berufe selben oder der nächstniedrigen kollektivvertraglichen Stufe in Betracht).