25.11.2010 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1 ASVG iZm Bereitschaftsdienst

Ein Versicherter, der sich im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes nicht im Betrieb aufhalten muss und während dieser Zeit private Tätigkeiten verrichten kann, unterliegt nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn der Unfall in keinerlei Zusammenhang mit dem im Rahmen der versicherten Tätigkeit zu leistenden Bereitschaftsdienst steht; für Verrichtungen, die - nicht aufteilbar - sowohl privaten unversicherten Interessen als auch betrieblichen Interessen dienen, besteht nur dann Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen


Schlagworte: Unfallversicherung, Arbeitsunfall, Bereitschaftsdienst, gemischte Tätigkeiten, wesentliche betriebliche Interessen
Gesetze:

§ 175 Abs 1 ASVG

GZ 10 ObS 133/10x, 05.10.2010

OGH: Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der vom Kläger im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes als Koch-/Kellnerlehrling am 18. 3. 2009 beim Snowboarden erlittene Unfall kein Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 1 ASVG ist, weicht nicht von der Rsp des OGH, die das Berufungsgericht richtig darlegte, ab. Nach dieser Rsp unterliegt ein Versicherter, der im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes private Tätigkeiten verrichtet, in dieser Zeit nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Auch während der Arbeitszeit besteht der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung in der Regel nur, wenn und solange der Arbeitnehmer eine Tätigkeit ausübt, die in dem in § 175 Abs 1 ASVG genannten inneren Zusammenhang mit der die Versicherung begründenden Beschäftigung steht. Wird eine bestimmte, vom Versicherten in dieser Zeit ausgeübte Tätigkeit allein oder überwiegend von eigenwirtschaftlichen Motiven bestimmt, so ist für die Dauer dieser Tätigkeit der Zusammenhang mit dem Betrieb gelöst; der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung besteht in dieser Zeit nicht. In diesem Sinne wurde bereits ausgesprochen, dass ein privaten Zwecken dienender Lebensmitteleinkauf auch dann nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, wenn er während der Zeit erfolgt, während der der Versicherte seinem Arbeitgeber im Rahmen einer Rufbereitschaft auf Abruf zur Verfügung steht. Auch in der E 10 ObS 55/04t hat der OGH ausgesprochen, dass ein Versicherter, der sich im Rahmen seines Bereitschaftsdienstes nicht im Betrieb aufhalten muss und während dieser Zeit private Tätigkeiten verrichten kann, nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegt, wenn der Unfall in keinerlei Zusammenhang mit dem im Rahmen der versicherten Tätigkeit zu leistenden Bereitschaftsdienst steht.

Aus dieser bereits vom Berufungsgericht zitierten Rsp kann entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass der Versicherungsschutz immer schon dann besteht, wenn der Unfall auch in irgendeinem Zusammenhang mit dem im Rahmen der versicherten Tätigkeit zu leistenden Bereitschaftsdienst steht. Für Verrichtungen, die - nicht aufteilbar - sowohl privaten unversicherten Interessen als auch betrieblichen Interessen dienen (sog gemischte Tätigkeiten), besteht nämlich nur dann Versicherungsschutz, wenn die Verrichtung im Einzelfall dazu bestimmt war, auch betrieblichen Interessen wesentlich zu dienen. Wenn für die unfallbringende Tätigkeit im Wesentlichen allein die privaten Interessen des Versicherten maßgebend sind, so ist der Unfall kein Arbeitsunfall; die ebenfalls vorhandenen betrieblichen Interessen sind hier nur Nebenzweck des Handelns und bildeten für den Unfall nur eine Gelegenheitsursache.

Der Unfall des Klägers ereignete sich beim Snowboarden, somit bei einer Freizeitgestaltung, die grundsätzlich dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen ist. Der Umstand, dass der Kläger von seinem Arbeitgeber den Auftrag hatte, während der Bereitschaft zu beobachten, ob Gäste in ausreichender Zahl ein frühzeitiges Aufsperren der Bar rechtfertigen und er diesem Auftrag beim Snowboarden nachkam, tritt daneben weit in den Hintergrund. Der Kläger hätte diesen Auftrag ohne weiteres auch durch wiederholte Nachschau zu Fuß erfüllen können, zumal sich die Bar im Gebäudekomplex des Betriebs befindet, wo auch der Kläger seine Unterkunft hatte. Die Abfahrten des Klägers mit dem Snowboard dienten daher in erster Linie der im eigenwirtschaftlichen Interesse gelegenen sportlichen Betätigung, während der Umstand, dass er bei dieser Gelegenheit über Auftrag seines Arbeitgebers auch das Gästeaufkommen beobachtete, daneben so weit in den Hintergrund trat, dass dieser betriebliche Zweck nicht mehr als wesentlich bezeichnet werden kann.