24.03.2011 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Frage, ob eine Versetzung in den Ruhestand bei Frauen bei Erreichen des Regelpensionsalters einen Verstoß gegen § 3 Z 7 GlBG darstellt

Der Umstand, dass Frauen früher zwangspensioniert werden können als Männer, stellt eine unmittelbare Diskriminierung iSd § 3 Z 7 GlBG dar


Schlagworte: Gleichbehandlungsrecht, Gleichbehandlungsgebot iZm einem Arbeitsverhältnis, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Versetzung in den Ruhestand, Regelpensionsalter
Gesetze:

§ 3 Z 7 GlBG, § 253 ASVG

GZ 9 ObA 124/10s, 28.02.2011

Die Klägerin war beim beklagten Sozialversicherungsträger als leitende Ärztin angestellt. Sie wollte nicht mit Erreichung des 60. Lebensjahrs, des Anfallsalters für den sozialversicherungsrechtlichen Anspruch auf Alterspension, in Pension gehen. Sie wurde daraufhin von der Beklagten am 6. 12. 2007 zum 1. 7. 2008 "in den Ruhestand versetzt". Die Beklagte hatte den Beschluss gefasst, alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die die Voraussetzungen für eine Versetzung in den Ruhestand (Pension) nach dem einschlägigen Kollektivvertrag erfüllen, zu kündigen.

OGH: Gem § 3 Z 7 GlBG ("Gleichbehandlungsgebot iZm dem Arbeitsverhältnis") darf aufgrund des Geschlechts iZm einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Begriff "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" enthält weder eine Beschränkung auf eine bestimmte Art des Arbeitsverhältnisses noch auf eine bestimmte Art der Beendigung. Er ist daher nicht zuletzt auch im Hinblick auf die weite Formulierung des Diskriminierungsverbots, das sich gegen jede benachteiligende Diskriminierung aufgrund des Geschlechts richtet, weit zu verstehen. Dass die gem hier anzuwendenden Kollektivvertrag (Dienstordnung B für die Ärzte und Dentisten bei den Sozialversicherungsträgern Österreichs - "DO.B") erfolgte Versetzung der Klägerin in den Ruhestand als "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" im vorstehenden Sinn zu qualifizieren ist, ist hier nicht weiter zweifelhaft, fallen doch laut Rsp des EuGH "Altersgrenzen" für das obligatorische Ausscheiden der Arbeitnehmer im Rahmen einer allgemeinen Pensionierungspolitik eines Arbeitgebers unter den weit auszulegenden Begriff der "Entlassung" iSd Richtlinie 76/207/EWG, auch wenn dieses Ausscheiden des Arbeitnehmers die Gewährung einer "Altersrente" mit sich bringt.

Die Beklagte bestreitet, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin "aufgrund" des Geschlechts erfolgte. Dazu hat der OGH bereits bezüglich des Merkmals der Behinderung, dessen Diskriminierungsschutz in der Arbeitswelt nicht im GlBG, sondern im BEinstG umgesetzt wurde, klargestellt, dass das Erfordernis des "Zusammenhangs" nicht zu eng gesehen werden darf, um den Zweck des Gesetzes, Diskriminierungen hintanzuhalten, zu erreichen. Diese weite Sicht gilt auch für den hier geforderten Zusammenhang mit dem Geschlecht. Der Zusammenhang mit dem Geschlecht ist nach der Rsp des EuGH auch bei einer allgemeinen Entlassungspolitik, wonach eine Arbeitnehmerin nur aus dem Grund "entlassen" wird, weil sie das Alter erreicht oder überschritten hat, in dem sie Anspruch auf eine Altersrente erwirbt und das nach den nationalen Rechtsvorschriften für Männer und Frauen unterschiedlich ist, anzunehmen.

Die Beklagte erblickt in der gegen den Willen der Klägerin erfolgten Versetzung in den Ruhestand nur eine mittelbare Diskriminierung (die durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sein soll). Der EuGH verwies in diesem Zusammenhang insbesondere darauf, dass aus § 134 Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 1 DO.B iVm § 253 Abs 1 ASVG resultiere, dass Arbeitnehmer weiblichen Geschlechts gekündigt werden dürfen, wenn sie das Alter von 60 Jahren erreicht haben, während Arbeitnehmer männlichen Geschlechts erst im Alter von 65 Jahren gekündigt werden dürfen. Die Regelung der DO.B bewirkt iVm der Pensionsregelung, auf die von der DO.B verwiesen wird, dass Frauen ihren Arbeitsplatz um fünf Jahre früher verlieren können als Männer. Frauen werden damit aufgrund des Geschlechts bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses "weniger günstig" behandelt als Männer. Dass der Umstand, dass Frauen nach dem gegenständlichen Kollektivvertrag früher zwangspensioniert werden können als Männer, eine benachteiligende Diskriminierung ist, steht somit außer Zweifel. Da die Kriterien der Versetzung in den Ruhestand vom Geschlecht der Arbeitnehmer nicht zu trennen sind, liegt laut EuGH entgegen der Auffassung der Beklagten eine Ungleichbehandlung vor, die unmittelbar auf das Geschlecht gestützt ist.

§ 3 Z 7 GlBG stellt in Umsetzung der Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung auf die "Entlassungsbedingungen" gem Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG darauf ab, ob jemand "bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" diskriminiert wird. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen den Willen eines Arbeitnehmers bzw einer Arbeitnehmerin ist bereits per se "eine weniger günstige Behandlung" (iSd § 5 Abs 1 GlBG) als die Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses einer anderen Person. Auf Überlegungen zur Einkommenssituation der Klägerin vor und nach der Versetzung in den Ruhestand, zu ihren sonstigen wirtschaftlichen Verhältnissen und zum Einkommen ihres Ehegatten kommt es nicht an. Der Anspruch auf bzw der Bezug von Alterspension ändert nichts an der Diskriminierung "bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses" iSd § 3 Z 7 GlBG (bzw bei den "Entlassungsbedingungen" iSd Art 3 Abs 1 lit c der Richtlinie 76/207/EWG).