07.07.2006 Strafrecht

EuGH: Der Grundsatz ne bis in idem gilt nicht für Sachverhalte, in denen die Rechtsordnungen und die Wettbewerbsbehörden von Drittstaaten im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeiten eine Rolle gespielt haben


Schlagworte: Kartellrecht, ne bis in idem, Drittstaat, eigene Zuständigkeit, Anrechnung zuvor verhängter Sanktionen
Gesetze:

Art 4 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK, Art 81 ff EGV

Mit Urteil vom 29.06.2006 zur GZ C-308/04P hat sich der EuGH mit dem Grundsatz ne bis in idem befasst:

Die SGL Carbon AG - tätig in der Graphitelektrodenbranche - wurde wegen Kartellbildung in Amerika, Kanada und Europa zur Zahlung hoher Geldbussen verurteilt. Das Unternehmen sah darin eine Verletzung der Pflicht zur Anrechnung zuvor verhängter Sanktionen.

Dazu der EuGH: Zum Anwendungsbereich des Grundsatzes ne bis in idem in Fällen, in denen die Behörden eines Drittstaats aufgrund ihrer Sanktionsbefugnisse im Bereich des im Gebiet dieses Staates geltenden Wettbewerbsrechts tätig geworden sind, ist darauf hinzuweisen, dass das streitige Kartell in einem internationalen Kontext steht, der insbesondere dadurch gekennzeichnet ist, dass die Rechtsordnungen von Drittstaaten in deren jeweiligem Hoheitsgebiet zur Anwendung gekommen sind. Auch dann, wenn die Kommission ein rechtswidriges Verhalten eines Unternehmens ahndet, dessen Verhalten seinen Ursprung in einem Kartell mit internationalem Charakter hat, wird diese zum Schutz des freien Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes tätig. Aufgrund des speziellen Charakters des auf Gemeinschaftsebene geschützten Rechtsguts können die Beurteilungen, die die Kommission aufgrund ihrer einschlägigen Befugnisse vornimmt, erheblich von den Beurteilungen durch die Behörden von Drittstaaten abweichen. Daher gilt der Grundsatz ne bis in idem nicht für Sachverhalte, in denen die Rechtsordnungen und die Wettbewerbsbehörden von Drittstaaten im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeiten eine Rolle gespielt haben.