OGH: Zur Prüfung der willkürlichen Annahme der Tatbegehungsgefahr im Grundrechtsbeschwerdeverfahren
Eine willkürliche Annahme der Tatbegehungsgefahr liegt dann nicht vor, wenn die zur Prognosebegründung bestimmten Tatsachen angeführt werden, die nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen geeignet sind, die daraus abgeleitete Befürchtung zu tragen
§ 173 StPO
GZ 15 Os 79/08v, 11.06.2008
Mit seiner Grundrechtsbeschwerde bekämpft der Beschwerdeführer die Annahme des Vorliegens von Haftgründen und bestreitet die Verhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft.
OGH: Die rechtliche Annahme einer der von § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom OGH im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin geprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als unvertretbar ("willkürlich") angesehen werden müsste. Eine solch willkürliche Annahme der Tatbegehungsgefahr vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, denn das OLG hat seine Einschätzung, der Angeklagte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen oder eine solche mit einer Strafdrohung von mehr als 6-monatiger Freiheitsstrafe begehen, die wie die ihm angelastete gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, auf das "massiv getrübte Vorleben" des Beschwerdeführers, den Verdacht mehrerer gewerbsmäßig begangener Einbruchsdiebstähle und auf sein geringes Einkommen gestützt. Damit wurden - entgegen dem Beschwerdevorbringen - zur Prognosebegründung bestimmte Tatsachen angeführt, die nach den Grundsätzen folgerichtigen Denkens und allgemeinen Erfahrungssätzen geeignet sind, die daraus abgeleitete Befürchtung zu tragen. Das OLG hat daher deutlich und in einer Missverständnisse ausschließenden Weise jene sich aus dem konkreten Einzelfall ergebenden Tatsachen, aus denen sich der herangezogene Haftgrund ergibt, die es somit seiner Prognoseentscheidung zugrunde gelegt hat, benannt.
Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zunächst auf die Bedeutung der Sache und die zu erwartende Strafe abzustellen (§ 173 Abs 1 zweiter Satz StPO). Mit Blick auf die dem Beschwerdeführer angelastete, wiederholte Delinquenz und auf den in Frage kommenden Strafrahmen (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren; § 130 zweiter Strafsatz StGB) kann bei einer im Beschwerdezeitpunkt knapp acht Wochen dauernden Untersuchungshaft von einer Unverhältnismäßigkeit nicht die Rede sein. Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen (§ 46a Abs 2 JGG) ist überdies auf die mit der Untersuchungshaft verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des Jungendlichen Bedacht zu nehmen (§ 35 Abs 1 JGG). Dieser strengeren Verhältnismäßigkeitsprüfung kommt allerdings mit fortschreitendem Alter (die inkriminierten Tatzeitpunkte liegen deutlich nach dem 20. Geburtstag des Angeklagten) weniger Bedeutung zu.