OGH: Voraussetzungen einer Gewöhnung an ein Suchtmittel
Krankheitswertige Sucht bzw körperliche Abhängigkeit sind keine notwendige Voraussetzung für eine Gewöhnung; eine psychische Abhängigkeit liegt hingegen ungeachtet einer unabdingbaren Behandlungsbedürftigkeit schon dann vor, wenn das Suchtmittel auch ohne besonderen Anlass, gewissermaßen mit Selbstverständlichkeit in regelmäßigen, zeitlich nahe liegenden Abständen gebraucht wird
SMG
GZ 12 Os 102/08d, 22.08.2008
Das Erstgericht verneinte die Voraussetzungen einer Privilegierung gem § 28a Abs 3 SMG, weil es nicht feststellen konnte, dass der Beschwerdeführer an ein Suchtgift gewöhnt war. In der rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht den Standpunkt, dass eine Gewöhnung an Suchtmittel lediglich dann vorliege, wenn der Angeklagte den Suchtmittelkonsum nur mit äußerster Willenskraft unterlassen kann. Angesichts der Tatsache, dass ein Konsum nur am Wochenende stattfand, habe daher eine solche Gewöhnung nicht vorgelegen.
OGH: Der Gesetzesbegriff "Gewöhnung an ein Suchtmittel" wird mit der gleichen Sinnbedeutung in § 22 Abs 1 StGB sowie in den §§ 27 Abs 5 SMG (§ 27 Abs 2 SMG aF), § 28 Abs 4 SMG, § 28a Abs 3 SMG (§ 28 Abs 3 SMG aF), § 31 Abs 4 SMG und § 31a Abs 4 SMG verwendet. Eine solche Gewöhnung liegt nach hM einerseits dann vor, wenn das Suchtmittel auch ohne besonderen Anlass, gewissermaßen mit Selbstverständlichkeit gebraucht wird und andererseits dann, wenn der Suchtmittelgebrauch so sehr zum Bedürfnis wurde, dass er nicht oder nur mehr unter äußerster Anstrengung der Willenskräfte unterlassen werden kann. Eine Sucht iSv körperlicher, medizinisch behandlungsbedürftiger Abhängigkeit wird für dieses Kriterium nicht vorausgesetzt.
Eine Begrenzung des der Gewöhnung zugrunde liegenden Abhängigkeitsbegriffs iSe schon medizinischen Krankheitswertes oder einer jedenfalls psychotherapeutischen Behandlungsbedürftigkeit ist weder dem Gesetzeswortlaut zu entnehmen, noch ergibt sich diese Auslegung aus der Systematik des Gesetzes oder dessen historischen Hintergrund bzw der Teleologie des SMG. Die der hM entsprechende Definition der Gewöhnung umfasst in ihrer ersten Konstellation - wenn das Suchtmittel auch ohne besonderen Anlass, gewissermaßen mit Selbstverständlichkeit gebraucht wird - den regelmäßigen, in zeitlich nahe liegenden Abständen vorgenommenen, nicht notwendig täglichen Konsum von Suchtmitteln. Die zweite Erscheinungsform der so verstandenen Gewöhnung - wenn der Suchtmittelgebrauch so sehr zum Bedürfnis wurde, dass er nur mehr unter äußerster Anstrengung der Willenskräfte unterlassen werden kann - beschreibt einen nur unter Bekämpfung von massiven entgegenstehenden Willensimpulsen unregelmäßig bleibenden, dessen ungeachtet wiederkehrenden Suchtgiftmissbrauch.