10.06.2009 Strafrecht

OGH: Zur Besetzungsrüge nach § 345 Abs 1 Z 1 StPO

Auch die Aufmerksamkeit der anwesenden Richter kann als Besetzungsmangel releviert werden; körperlicher Abwesenheit einigermaßen gleichwertige Unaufmerksamkeit entspricht mangelnder Beiwohnung


Schlagworte: Strafprozessrecht, Besetzungsrüge, Unaufmerksamkeit
Gesetze:

§ 345 StPO

GZ 13 Os 151/08t, 19.03.2009

OGH: Richtig ist zwar, dass auch die Aufmerksamkeit der anwesenden Richter als Besetzungsmangel releviert werden kann und körperlicher Abwesenheit einigermaßen gleichwertige Unaufmerksamkeit mangelnder Beiwohnung entspricht. Allerdings bezweckt die Nichtigkeitsdrohung des § 345 Abs 1 Z 1 StPO keineswegs, dass schon die Tatsache einer solchen Unaufmerksamkeit, sogleich gerügt (§ 345 Abs 2 StPO) und mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht, stets zur Urteilsaufhebung führt. Vielmehr trägt gerade die Einhaltung der Rügeobliegenheit dazu bei, den Besetzungsmangel mit dem geringst möglichen Aufwand zu beheben, etwa dadurch, dass der Vorsitzende den unaufmerksamen Richter oder Geschworenen zur Aufmerksamkeit ermahnt, eine Unterbrechung der Hauptverhandlung zur Erholung anordnet oder sonst geeignete Maßnahmen zur Abhilfe ergreift. Rügeobliegenheiten dienen nämlich just dazu, unnötige zusätzliche Rechtsgänge, welche regelmäßig mit einer Verschlechterung der Beweismittel, Kostenfolgen, Verlängerung einer allfälligen Untersuchungshaft und sonstigen, mit erhöhter Verfahrensdauer verbundenen Nachteilen (vgl Art 6 Abs 1 MRK) einher gehen, hintanzuhalten, sowie Ankläger und Verteidiger zur Konzentration auf den Verfahrensgang zu verhalten, damit sich das Gericht ihrer berechtigten Anliegen auch bewusst werden und diesen erforderlichenfalls sogleich Rechnung tragen kann. Ist das während der Unaufmerksamkeit Geschehene ohne weiteres wiederholbar, ist es Aufgabe des zur Rüge verhaltenen Beteiligten, das aus seiner Sicht zu Wiederholende auch deutlich aufzuzeigen. Selbst wenn der nach dem Inhalt des Protokolls über die Hauptverhandlung bis dahin erstmalig aufgetretene Umstand, dass ein Geschworener "die Augen geschlossen hatte", in diesem Sinn erfolgreich gerügt worden wäre, läge die geltend gemachte Urteilsnichtigkeit demnach keineswegs vor. Hätte sich, wie der Bf behauptet, die an den Geschworenen gerichtete Aufforderung, "dem Verhandlungsgeschehen zu folgen", als erfolglos erwiesen, wäre es erneut seine Sache gewesen, auf diesen Umstand rügend hinzuweisen und erforderlichenfalls den Austausch des unaufmerksamen Geschworenen gegen einen der anwesenden Ersatzgeschworenen zu verlangen.