OGH: Betriebsratswahl – Anfechtung wegen Nichtigkeit gem § 60 ArbVG
Fehler bei der Auszählung des Wahlergebnisses allein können nicht bewirken, dass die Wahl als Zerrbild einer Wahl zu beurteilen wäre
§ 60 ArbVG, § 59 ArbVG
GZ 9 ObA 40/11i, 25.10.2011
OGH: Zur Anfechtung der Wahl wegen Nichtigkeit können nur solche Mängel berechtigen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit so schwerwiegend sind, dass gesagt werden muss, es seien die elementarsten Grundsätze einer Wahl im Allgemeinen und einer Betriebsratswahl im Besonderen außer Acht gelassen worden, wenn also der betreffende Vorgang „nicht einmal die Merkmale einer Wahl aufweist“ und deshalb nur als „Zerrbild“ einer Wahl bezeichnet werden kann. Bei einer Gesamtbewertung mehrerer Verstöße beim Wahlvorgang, die bei getrennter Beurteilung nur zur Anfechtung berechtigten, bei einer Gesamtbeurteilung jedoch das Gewicht einer Nichtwahl erhalten könnten, ist Vorsicht geboten, um nicht die vom Gesetzgeber verfolgte Absicht, durch eine umfassende Regelung des Anfechtungsbereichs den Nichtigkeitsbereich möglichst einzuschränken, zu vereiteln. Ist doch zu bedenken, dass die Nichtigkeit der Betriebsratswahl nicht nur auch nach Ablauf der Monatsfrist geltend gemacht werden kann, sondern auch die Nichtigkeit aller von diesem Betriebsrat gesetzten Rechtsakte bewirkt.
Die Ansicht der Vorinstanzen, dass hier ein „Zerrbild“ einer Wahl iSd dargestellten Rsp vorliege, fußt im Wesentlichen auf den Feststellungen zum „wahren Willen“ der wahlberechtigten Arbeitnehmer.
Dem steht jedoch schon entgegen, dass es einer der leitenden Wahlgrundsätze ist, dass die Wahl geheim zu erfolgen hat (§ 51 ArbVG).
Auch die Regelungen über die Anfechtungsmöglichkeiten stellen nicht auf den wahren Willen der Wähler, sondern auf die das Wahlverfahren regelnden Bestimmungen und Grundsätze ab und inwieweit deren Verletzung „geeignet“ ist, das Wahlergebnis zu beeinflussen.
Es kann nun dahingestellt bleiben, inwieweit dann, wenn der Wahlvorstand die Wähler falsch informiert, dies zu berücksichtigen wäre. Ein solches klar dem verantwortlichen Wahlvorstand zuzuordnendes Verhalten konnte hier letztlich nicht festgestellt werden.
Es verbleibt somit der Fehler bei der Auszählung des Wahlergebnisses, der auf einer nicht zutreffenden Rechtsansicht fußte. Dies allein kann jedoch nicht bewirken, dass die Wahl - die von keinem der wahlberechtigten Arbeitnehmer angefochten wurde - als Zerrbild einer Wahl zu beurteilen wäre. Die Wähler haben die Stimmzettel mit der „Liste 1“ abgegeben und nur einer hat seine Ablehnung völlig eindeutig durch das Durchstreichen deutlich gemacht. Auch wenn das Abgeben eines bereits mit einer Liste vorweg versehenen Stimmzettels allein nicht als eindeutige Wahl der Liste angesehen werden kann, wird die Wahl dadurch doch auch nicht zu einem „Zerrbild“, das als nichtig anzusehen wäre.
Dass eine Anfechtung der Wahl durch den Arbeitgeber wegen solcher Mängel nicht erfolgen kann, ist dem Gesetz eindeutig zu entnehmen (§ 59 Abs 2 ArbVG). Fehler bei der Auszählung bewirken nicht, dass die Wahl ihrer Art oder ihrem Umfang nach oder mangels Vorliegens eines Betriebs so nicht durchzuführen gewesen wäre.