OGH: Behördlich genehmigte Anlage iSd § 364a ABGB und (im Bewilligungsverfahren) übergangene Partei
Die im Bewilligungsverfahren „übergangene Partei“ kann auch weiter ihren Anspruch nach § 364 Abs 2 ABGB geltend machen
§ 364 ABGB, § 364a ABGB, § 8 AVG, § 74 GewO
GZ 8 Ob 95/11w, 20.01.2012
OGH: Zufolge § 364 Abs 2 ABGB kann der Eigentümer eines Grundstücks dem Nachbarn die von dessen Grundstück ausgehenden Immissionen insoweit untersagen, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Ausmaß überschreiten und die ortsübliche Benützung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.
Dieses Recht wird aber von § 364a ABGB für den Fall eingeschränkt, dass „die Beeinträchtigung durch eine Bergwerksanlage oder eine behördlich genehmigte Anlage“ erfolgt. Insoweit wird der beeinträchtigte Nachbar auf einen Ersatzanspruch verwiesen.
Der erkennende Senat hat sich jüngst ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit die Einschränkung des § 364a ABGB auch nach Bewilligungsverfahren zum Tragen kommt, in denen dem beeinträchtigten Nachbarn keine Parteistellung zuerkannt wird. Der erkennende Senat vertrat dazu die Auffassung, dass bei verfassungs- und europarechtskonformer Interpretation im Falle einer mangelnden Beteiligungsmöglichkeit des betroffenen Nachbarn keine „behördlich genehmigte Anlage“ iSd § 364a ABGB vorliegt und dem beeinträchtigten Nachbarn daher der Untersagungstatbestand des § 364 ABGB unter den dort genannten Voraussetzungen zusteht (8 Ob 128/09w).
Hier ist sowohl aufgrund der Entscheidung des VwGH als auch aufgrund jener des Bundesministers davon auszugehen, dass der Klägerin sehr wohl Parteistellung im Verwaltungsverfahren zukommt, dass sie aber am Verfahren nicht entsprechend beteiligt wurde („übergangene Partei“).
Gegenüber der „übergangenen Partei“ entfaltet der Bescheid keine Rechtswirkungen.
Zu § 364a ABGB wird in der Lehre vertreten, dass die im Bewilligungsverfahren „übergangene Partei“ auch weiter ihren Anspruch nach § 364 Abs 2 ABGB geltend machen kann.
Dem schließt sich auch der erkennende Senat an. Dies entspricht dem bereits in der Entscheidung zu 8 Ob 128/09w zum Ausdruck gebrachten Ansatz, dass eine „behördlich genehmigte Anlage“ eben nur dort vorliegen kann, wo eine effektive Berücksichtigung der Interessen des Nachbarn im Genehmigungsverfahren gegeben ist. Auch wurde ja bereits ausgesprochen, dass eine behördlich genehmigte Anlage erst dann vorliegen kann, wenn die behördliche Genehmigung in Rechtskraft erwachsen ist. Hier ist aber offensichtlich noch nicht einmal eine wirksame Zustellung des Bescheids an die Klägerin erfolgt.
Mangels Wirksamkeit des Bescheids gegenüber der Klägerin kann sich die Beklagte daher nicht auf § 364a ABGB berufen.