OGH: Irreführende Geschäftspraktik des Mitbewerbers durch Legung eines nicht ausschreibungskonformen Anbots, das dem Auftraggeber als ausschreibungskonform erscheinen musste – Zulässigkeit der Unterlassungsklage gem § 14 UWG?
§ 341 Abs 2 BVergG 2006 ist teleologisch zu reduzieren, dh das Erfordernis eines Feststellungsbescheids für die Zulässigkeit der gerichtlichen Verfolgung von Lauterkeitsverstößen ist auf jene zu beschränken, die zur Einleitung vergaberechtlicher Feststellungs- oder Nachprüfungsverfahren legitimiert sind
§ 2 UWG, § 341 Abs 2 BVergG 2006, § 131 BVergG 2006, § 14 UWG, § 1 JN, § 129 BVergG 2006
GZ 4 Ob 216/11k, 28.02.2012
Klägerin und Beklagte stehen im Wettbewerb; beide nahmen an einer Ausschreibung des Wiener Krankenanstaltenverbundes (KAV) über die Lieferung von Papierservietten teil.
Die Beklagte macht geltend, für den von der Klägerin erhobenen Unterlassungsanspruch sei der Rechtsweg unzulässig, weil die Beschränkung der Zulässigkeit des Rechtswegs in § 341 Abs 2 BVergG 2006 unabhängig von der rechtlichen Begründung des Anspruchs alle auf das UWG gestützten Klagen erfasse, deren Gegenstand ein vom Vergaberecht erfasstes Verhalten des Auftraggebers oder eines Mitbewerbers sei.
OGH: Der erkennende Senat hielt zu 4 Ob 100/11a - Westbahn fest, dass sich die Unzulässigkeit der Unterlassungsklage (Unzulässigkeit des Rechtswegs im Hinblick auf § 341 Abs 2 BVergG 2006) über die Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ hinaus auf alle Klagen erstreckt, deren Gegenstand ein vom Vergaberecht erfasstes Verhalten des Auftraggebers oder eines Mitbewerbers ist, dies unabhängig von der rechtlichen Begründung des konkret geltend gemachten Anspruchs. Dazu gehören insbesondere die Wahl des Vergabeverfahrens, die Auswahl der einbezogenen Unternehmen und die Erteilung des Zuschlags. Anders zu beurteilen wäre nur ein anlässlich eines Vergabeverfahrens gesetztes Verhalten, das aus ganz anderen Gründen - etwa wegen einer unzulässigen Übernahme fremder Leistungen - gegen das Lauterkeitsrecht verstößt. Gerade einen solchen anderen Lauterkeitsverstoß legte das Rekursgericht seiner Entscheidung zugrunde, nämlich eine irreführende Geschäftspraktik des beklagten Mitbewerbers durch Legung eines Anbots, das dem ausschreibenden Krankenanstaltenverbund als ausschreibungskonform erscheinen musste, tatsächlich jedoch nicht der Ausschreibung entsprechende Leistungen zum Gegenstand hatte (nicht zur Gänze Recyclingmaterial, nicht der Anforderung entsprechende Unterverpackung). Einen Verstoß gegen Vorschriften des Vergaberechts macht die Klägerin ausdrücklich nicht geltend.
Überdies war das Angebot der Klägerin nach Aufklärung darüber, dass sie ausschreibungskonforme Servietten nicht liefern könnte, rechtskräftig ausgeschieden worden. Sie war danach nicht mehr Beteiligte des Vergabeverfahrens und daher gem § 131 BVergG weder von der Zuschlagserteilung zu verständigen noch legitimiert, gegen den Zuschlag Rechtsmittel zu ergreifen oder sonst Rechtsbehelfe des Vergaberechts zu nutzen. Da das Vergaberecht für die Klägerin somit keinen geeigneten Rechtsschutz bereitstellt, ist § 341 Abs 2 BVergG 2006 teleologisch zu reduzieren, dh das Erfordernis eines Feststellungsbescheids für die Zulässigkeit der gerichtlichen Verfolgung von Lauterkeitsverstößen auf jene zu beschränken, die zur Einleitung vergaberechtlicher Feststellungs- oder Nachprüfungsverfahren legitimiert sind.
Das Revisionsrekursvorbringen der Beklagten, sie habe sehr wohl ausschreibungskonforme Servietten angeboten und hätte diese auch liefern können, widerspricht dem von den Vorinstanzen als bescheinigt angenommenen Sachverhalt. Danach unterließ die Beklagte vielmehr die Aufklärung des KAV, entgegen den Ausschreibungsbedingungen in Wahrheit nicht zu 100 % aus Altpapier bestehende und in geforderter Weise verpackte Servietten anzubieten und in der Folge auch zu liefern. Diese Unterlassung veranlasste den KAV zu einer geschäftlichen Entscheidung, die er andernfalls unterlassen hätte (§ 2 Abs 1 UWG).
Der OGH hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass nach dem UWG auch die Erfüllung eines Vertrags mit einem Dritten verboten werden kann, dies auch im vergaberechtlichen Zusammenhang, und daran auch nach Kritik festgehalten. Darüber hinaus entspricht es stRsp, dass dem wettbewerbswidrig Handelnden keine Früchte seines unlauteren Verhaltens verbleiben dürfen.
Das Argument der Beklagten, das Verhalten der Beklagten im Vergabeverfahren habe sich tatsächlich nicht auf den Markt ausgewirkt und erfülle daher nicht die Voraussetzung für die Unlauterkeit des beanstandeten Verhaltens, wonach es geeignet sein müsse, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen, steht im Widerspruch zum als bescheinigt angenommenen Sachverhalt. Die Klägerin wurde infolge eines ausschreibungswidrigen Anbots vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Hätte die Beklagte gleichfalls die Ausschreibungswidrigkeit ihres Anbots offengelegt, hätte gleiches geschehen müssen. Stattdessen erlangte sie den Zuschlag. Ihr unlauteres Verhalten war daher nicht nur geeignet, den Wettbewerb nicht nur unerheblich zu beeinflussen, sondern hat sich sogar effektiv zum Nachteil der Mitbewerberin ausgewirkt.
Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung widerspricht das rekursgerichtliche Unterlassungsgebot auch nicht den Grundsätzen der Rsp zur Bestimmtheit und zulässigen Weite des Unterlassungsbegehrens. Das Verbot, Papierservietten zu liefern, welche nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen, ist im Hinblick auf den Zusammenhang mit der Begründung ausreichend bestimmt, ergibt sich doch eindeutig, dass mit den vertraglichen Vereinbarungen die konkreten Ausschreibungsbedingungen gemeint sind. Dass im Fall unlauter erlangter Vertragsabschlüsse auch die Erfüllung der Verträge untersagt werden kann, um die verpönte Fruchtziehung zu verhindern, wurde bereits ausgeführt.