OGH: Internetbetrug – Haftung der Bank (hier: Auszahlung eines Geldbetrags im Ausland zum Kauf eines Kfz)?
Die Klärung der Frage, ob der Kläger die Auszahlung des Geldbetrags durch Western Union bzw einen Vertriebspartner in London selbst verschuldet hat und deshalb nicht berechtigt ist, von der Beklagten Ersatz zu verlangen, erfordert als Ermessensentscheidung die Beurteilung von dessen Sorglosigkeit und hängt damit maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab
§§ 1295 ff ABGB
GZ 1 Ob 153/12z, 15.11.2012
Der Kläger beabsichtigte, in England ein Kfz anzukaufen, das er über das Internet ausfindig gemacht hatte. Zur Begleichung des Kaufpreises ließ er sich in zwei Tranchen insgesamt 7.050 EUR auf seinen eigenen Namen nach London überweisen. Zuzüglich der Bearbeitungsgebühren zahlte er zum Zwecke der Durchführung dieser Transaktion 7.324 EUR auf ein Konto mit der Postleitzahl 60.000, lautend auf „BAWAG P.S.K. Western Union“ ein. Über Aufforderung seines potentiellen Vertragspartners scannte er den Überweisungsbeleg sowie seinen Behindertenausweis ein und mailte diese Dokumente nach durchgeführter Transaktion an den vermeintlichen Verkäufer. Ermittlungen der Beklagten ergaben im Nachhinein, dass der vom Kläger überwiesene Betrag in London unter Präsentation eines falschen bzw verfälschten Reisepasses und der Angabe der korrekten MTCN (Money Transfer Control Number), des zu erwartenden Betrags und des Landes, aus welchem der Betrag kommen solle, von einer unbekannt gebliebenen Person behoben worden war.
OGH: Die Klärung der Frage, ob der Kläger die Auszahlung des Geldbetrags durch Western Union bzw einen Vertriebspartner in London selbst verschuldet hat und deshalb nicht berechtigt ist, von der Beklagten Ersatz zu verlangen, erfordert als Ermessensentscheidung die Beurteilung von dessen Sorglosigkeit und hängt damit maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab, die einer beispielgebenden Entscheidung des OGH entgegenstehen.
Die von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängige Beurteilung der Sorglosigkeit des Klägers durch das Berufungsgericht ist vom OGH auch nicht zu korrigieren. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat der Kläger dem vermeintlichen Verkäufer des Kfz den eingescannten Überweisungsbeleg und seinen Behindertenausweis gemailt und diesem dadurch all jene Informationen in die Hand gegeben, die eine unbekannt gebliebene Person in die Lage versetzten, mit Hilfe eines gefälschten oder verfälschten Dokuments den vom Kläger auf seinen Namen überwiesenen Betrag zu beheben. Erst diese Handlung des Klägers ermöglichte damit die missbräuchliche Empfangnahme des Geldbetrags. Bei dieser Sachlage ist es nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangte, dass der Kläger den durch seine Sorglosigkeit verursachten Schaden zur Gänze selbst zu tragen hat. Die Ausführungen des Klägers in seiner Revision, mit welchen er dieser Beurteilung entgegenzutreten trachtet, ignorieren beharrlich sein festgestelltes Verhalten iZm der Preisgabe der Sicherheitsmerkmale und gehen insoweit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
Tatfragen können im Revisionsverfahren nur aufgegriffen werden, wenn sie von den Vorinstanzen in unrichtiger Anwendung der Verfahrensgesetze gelöst wurden. Demgegenüber kann die Richtigkeit einer Tatsachenfeststellung vom OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden. Eine solche spricht der Kläger aber an, wenn er in seiner Revision dem Berufungsgericht vorhält, dieses habe die Sachverhaltsrüge iZm der Behebung des Überweisungsbetrags in London durch eine unbekannt gebliebene Person unrichtig beurteilt. Es gehört auch zum Bestandteil der Feststellungen des Erstgerichts, dass sich auf dem Überweisungsformblatt eine Warnung vor einem Verbraucherbetrug befunden hat. Der entsprechende Hinweis des Berufungsgerichts beruht damit auf gesicherter Tatbestandsgrundlage, der der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr entgegentreten kann.