OGH: Zur Frage, ob ein behauptetes Anerkenntnis den Gerichtsstand nach Art 6 Z 1 EuGVVO bzw Art 15 EuGVVO zu begründen vermag
Es liegt weder ein einheitlicher rechtserzeugender Sachverhalt vor noch eine Verpflichtung aus demselben tatsächlichen Grund, wenn eine Partei aus einem konstitutiven Anerkenntnis in Anspruch genommen wird und die andere nicht; es ist zu untersuchen, ob es aus Sicht des Verbrauchers derart klar und präzise ist, dass eine „vertragliche“ Bindung, wie sie Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO voraussetzt, entstehen könnte
Art 6 EuGVVO, Art 15 EuGVVO, Art 16 EuGVVO
GZ 5 Ob 213/12b, 06.06.2013
OGH: Dieser besondere Wahlgerichtsstand, auch Gerichtsstand der Streitgenossenschaft genannt, auf den die klagende Partei die internationale Zuständigkeit hinsichtlich der Zweitbeklagten stützt, kommt nicht nur bei einer einheitlichen Streitpartei (§ 14 ZPO), sondern auch bei einer formellen Streitgenossenschaft zur Anwendung. Die gegen die einzelnen Beklagten geltend gemachten Ansprüche müssen allerdings in einem derartigen - vertragsautonom zu bestimmenden - inhaltlichen Zusammenhang (Konnexität) zueinander stehen, dass im Ergebnis eine gemeinsame Entscheidung geboten ist, um einander widersprechende Entscheidungen verschiedener Gerichte zu vermeiden. Dieser in Art 6 Z 1 EuGVVO geforderte Zusammenhang zwischen den Ansprüchen besteht beispielsweise dann, wenn die Beklagten in Ansehung des Streitgegenstands in Rechtsgemeinschaft stehen, die Beklagten eine gemeinsame Verpflichtung trifft oder als Hauptschuldner und Bürge gemeinsam geklagt werden.
Eine derartige Konnexität ist hier nicht gegeben: Es liegt weder ein einheitlicher rechtserzeugender Sachverhalt vor noch eine Verpflichtung aus demselben tatsächlichen Grund, weil die Zweitbeklagte aus einem konstitutiven Anerkenntnis in Anspruch genommen wird.
Wendet man die vom EuGH in der Rechtssache Ilsinger gewonnenen Grundsätze auf ein bindendes Anerkenntnis an, so ist zu untersuchen, ob es aus Sicht des Klägers derart klar und präzise war, dass eine „vertragliche“ Bindung, wie sie Art 15 Abs 1 lit c EuGVVO voraussetzt, entstehen konnte. Das ist dann der Fall, wenn die Zweitbeklagte ihren Willen klar zum Ausdruck gebracht hat, im Fall einer Annahme durch den Kläger an eine Verbindlichkeit gebunden zu sein und sich bedingungslos bereit erklärt hat, den Kaufpreis zurückzuzahlen, wenn der Kläger sie dazu auffordert. Maßgeblich kommt es daher darauf an, ob der Kläger als verständiger Verbraucher die Erklärung der Zweitbeklagten unter den gegebenen Umständen als bedingungslose Auszahlungsbereitschaft (Bindungswillen) der Zweitbeklagten auffassen durfte.