06.01.2015 Wirtschaftsrecht

OGH: Ersatz des Schadens, der dadurch entsteht, dass ein Nichtteilnehmer am Kartell den durch das Kartell erhöhten Marktpreis zum Anlass nimmt, selbst seine Preise zu erhöhen?

Ein durch „umbrella-pricing“ Geschädigter kann Ersatz des ihm durch die Mitglieder eines Kartells entstandenen Schadens verlangen, wenn erwiesen ist, dass das Kartell nach den Umständen des konkreten Falls und insbesondere den Besonderheiten des betreffenden Markts ein umbrella-pricing durch eigenständig handelnde Dritte zur Folge haben konnte, und wenn diese Umstände und Besonderheiten den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnten


Schlagworte: Kartellrecht, Schadenersatzrecht, umbrella-pricing
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, KartG, Art 101 AEUV

GZ 7 Ob 121/14s, 29.10.2014

 

OGH: Der OGH legte mit seinem Beschluss vom 17. Oktober 2012, 7 Ob 48/12b, dem EuGH gem Art 267 AEUV folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

 

Ist Art 101 AEUV (Art 81 EG, Art 85 EGV) dahin auszulegen, dass jedermann von Kartellanten den Ersatz auch des Schadens verlangen kann, der ihm durch einen Kartellaußenseiter zugefügt wurde, der im Windschatten der erhöhten Marktpreise seine eigenen Preise für seine Produkte mehr anhebt als er dies ohne das Kartell getan hätte (umbrella-pricing), sodass der vom EuGH postulierte Effektivitätsgrundsatz einen Zuspruch nach nationalem Recht verlangt?

 

Der EuGH beantwortet die Vorlagefrage mit seinem Urteil vom 5. Juni 2014 (Kone AG ua, C-557/12), dahingehend, dass Art 101 AEUV einer Auslegung und Anwendung des innerstaatlichen Rechts eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach es aus Rechtsgründen kategorisch ausgeschlossen ist, dass die an einem Kartell beteiligten Unternehmen zivilrechtlich für Schäden haften, die daraus resultieren, dass ein an diesem Kartell nicht beteiligtes Unternehmen in Anbetracht der Machenschaften des Kartells seine Preise höher festgesetzt hat, als es dies ohne das Kartell getan hätte. Der EuGH legt dar, dass der Marktpreis einer der wichtigsten Gesichtspunkte ist, die ein Unternehmen bei der Festsetzung des Preises berücksichtigt, zu dem es seine Waren oder Dienstleistungen anbietet. Gelingt es einem Kartell, den Preis für bestimmte Produkte künstlich hoch zu halten, und sind bestimmte Marktbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Art des Produkts oder der Größe des von diesem Kartell erfassten Markts, erfüllt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich das nicht am Kartell beteiligte Unternehmen entschließt, den Preis für sein Angebot höher festzusetzen als es dies unter normalen Wettbewerbsbedingungen, dh ohne Kartell, getan hätte. In einem solchen Kontext ist festzustellen, dass der Kartellaußenseiter seine Entscheidung über die Festsetzung eines Angebotspreises, auch wenn sie als eine völlig autonome Entscheidung anzusehen ist, unter Bezugnahme auf einen Marktpreis treffen konnte, der durch dieses Kartell verfälscht worden und damit wettbewerbswidrig war (Rn 29). Ein durch „umbrella-pricing“ Geschädigter kann Ersatz des ihm durch die Mitglieder eines Kartells entstandenen Schadens verlangen, wenn erwiesen ist, dass das Kartell nach den Umständen des konkreten Falls und insbesondere den Besonderheiten des betreffenden Markts ein umbrella-pricing durch eigenständig handelnde Dritte zur Folge haben konnte, und wenn diese Umstände und Besonderheiten den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnten. Es ist Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind (Rn 34).

 

In diesem Sinn bedarf das Verfahren hinsichtlich dieses Anspruchs einer Ergänzung, bevor abschließend entschieden werden kann. Die Entscheidung des EuGH und die genannten Anspruchsvoraussetzungen sind mit den Parteien zu erörtern und entsprechende Feststellungen zu treffen. Es ist zu prüfen, ob das vorliegende Kartell nach den Umständen des konkreten Falls, insbesondere den Besonderheiten des Markts für den Ankauf und die Wartung von Aufzügen und Fahrtreppen, ein umbrella-pricing durch eigenständig handelnde Drittunternehmen zur Folge haben konnte, und ob diese Umstände und Besonderheiten den Kartellbeteiligten nicht verborgen bleiben konnten, sie also hätten wissen müssen, dass derartige Schäden entstehen könnten. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, um welche konkreten Leistungen es sich im Einzelnen handelt, die die Klägerin bei Drittunternehmen in Anspruch genommen hat, um beurteilen zu können, ob und in welchem Ausmaß sich die Wirkung der Kartellabsprache auf die Preisgestaltung des Marktes für derartige Leistungen ausgewirkt haben konnte. Gegebenenfalls bedarf es weiterer Feststellungen, in welcher Höhe der Preis von Drittunternehmen beeinflusst werden konnte, wie hoch also der Schaden ist.