17.02.2015 Zivilrecht

OGH: Unternehmen von Hochgebirgstouren als Sport nach Art 10.5 ABH 2002?

Verursacht der Führer einer Hochgebirgstour fahrlässig einen Schadenfall, besteht grundsätzlich Deckung durch die private Haftpflichtversicherung im Rahmen der Haushaltsversicherung


Schlagworte: Versicherungsrecht, Haushaltsversicherung, Sportausübung, Hochgebirgstour, Alpinlehrwart
Gesetze:

 

Art 10.5 ABH 2002

 

GZ 7 Ob 171/14v, 26.11.2014

 

Der Kläger führte unentgeltlich als Mitglied des Alpenvereins bei einer von diesem veranstalteten Hochgebirgstour andere Mitglieder. Dabei kam es zu einem Pendelabsturz. Die verletzte Teilnehmerin macht gegen den Kläger Schadenersatzansprüche geltend.

 

Der Kläger begehrte die Feststellung der Deckungspflicht des beklagten Haushaltsversicherers. Dieser lehnte ab, weil das Hochgebirgstourengehen nicht zu den Gefahren des täglichen Lebens nach Art 10.5 ABH 2002 gehöre.

 

OGH: Dass der Kläger keine betriebliche, berufliche oder gewerbsmäßige Tätigkeit als Tourenführer ausübte, ist im Revisionsverfahren zu Recht nicht mehr strittig. Zu prüfen bleibt, ob die private Tätigkeit des Versicherungsnehmers als Seilführer bei Hochgebirgstouren vom Versicherungsschutz nach Art 10.5 ABH 2002 gedeckt ist.

 

Nach Art 10 ABH 2002 erstreckt sich der Versicherungsschutz auf die Gefahren des täglichen Lebens, wobei nach dem Wort „insbesondere“ ua die nicht berufsmäßige Sportausübung, ausgenommen die Jagd, aufgezählt ist. Zutreffend erkannten die Vorinstanzen, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer davon ausgeht, dass damit - schon wegen der Aufzählung nach „insbesondere“ - die nicht berufsmäßige Sportausübung als zu den Gefahren des täglichen Lebens gehörend definiert ist. Diese Ansicht wurde auch zu den ABH 1973 (allerdings nicht mit identem Text) vertreten. Da zudem vom Versicherungsschutz bei der nicht berufsmäßigen Sportausübung nur die Jagd ausdrücklich ausgenommen ist, muss darauf geschlossen werden, dass alle anderen Tätigkeiten, die von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer als Sport betrachtet werden, vom Versicherungsschutz umfasst sind.

 

Hochgebirgstouren, sei es allein oder in Gruppen, sind gerade in Österreich nicht ungewöhnlich. Nicht wenige Menschen gehen dieser Freizeitbeschäftigung im Rahmen ihrer Mitgliedschaft zu einem alpinen Verein oder auch unabhängig davon regelmäßig nach. Es ist daher davon auszugehen, dass für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer eine Hochgebirgstour zur Sportausübung und damit nach Art 10.5 ABH 2002 zu den versicherten Gefahren des täglichen Lebens zählt.

 

Die Tätigkeit des Tourenführers geht über die Sportausübung hinaus. Einen Führer können nämlich allenfalls zusätzliche Verhaltenspflichten treffen. Bei der Ausübung von Sportarten in Gruppen ist es aber üblich und geradezu selbstverständlich, dass einer Person schlüssig oder ausdrücklich eine Führungstätigkeit übertragen wird. In eine solche Situation kann grundsätzlich jeder kommen, der diesen Sport ausübt. Die damit verbundene Verantwortung und erhöhte Gefahr einer Haftung ist daher nicht ungewöhnlich. Auch der Anführer einer Gruppe von Bergsteigern übt daher einen bedingungsgemäß zu den Gefahren des täglichen Lebens zählenden Sport iSd Art 10.5 ABH 2002 aus.

 

Auch wenn sich der Kläger vor Ort entschloss, eine ungewöhnliche Route zu gehen, bedeutet dies nicht, dass er damit bereits bewusst eine unübliche, über das Tourenführen an sich hinausgehende Gefahrenlage geschaffen hat. Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Führer auf konkrete Situationen reagiert und dabei von geplanten Vorhaben abkommt. Es ist nicht erkennbar, dass es der Kläger nicht primär angestrebt hätte, die Vereinsmitglieder wieder sicher zurückzubringen. Von einer bewussten Schadenzufügung kann keine Rede sein. Dass dem Kläger Fahrlässigkeit zur Last liegt, begründet für sich allein noch nicht eine ungewöhnliche Gefahr, weil ohne diese der Schadenfall gar nicht eingetreten wäre.