15.11.2016 Zivilrecht

OGH: Sturz eines Hotelgastes beim Buffet – zur Haftung des Reiseveranstalters

Eine durchgehende Überprüfung und Reinigung des Bodens vor dem Frühstücksbuffet, die die sofortige Entfernung von jeglichen Essensresten vom Boden gewährleistet, wäre eine Überspannung der Sorgfaltspflichten eines Hotelbetreibers; sollte feststehen, dass das Paprikastück bereits auf dem Boden lag, als ein Kellner am Buffet vorbeiging, um dieses zu kontrollieren, und er es übersah und daher nicht entfernte, käme es nicht darauf an, ob das Gemüsestück schon länger auf dem Boden gelegen wäre; hat nämlich ein Kellner ein gut erkennbares Paprikastück nicht entfernt, von dem er annehmen konnte, dass es auf einem die übliche Rutschfestigkeit aufweisenden Fliesenboden zu einer Gefahr für die Gäste des Frühstücksbuffets werden könnte, obwohl ihm dies zumutbar war, ist die Dauer, für die das Gemüse bereits am Boden lag, nicht maßgeblich; vielmehr wäre der Mitarbeiter des Hotels verpflichtet gewesen, das Paprikastück aufzuheben und damit eine Gefahrensituation zu beseitigen; diese mögliche und zumutbare Maßnahme der Gefahrenabwehr hätte der Kellner pflichtwidrig unterlassen, wenn er den erkennbaren grünen Paprikastreifen auf dem Fliesenboden nicht beseitigte; damit läge aber ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht durch das Personal des Hotels vor, der über die Erfüllungsgehilfenhaftung der beklagten Reiseveranstalterin anzulasten wäre


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Reiseveranstalter, Hotel, Sturz beim Buffet, Verkehrssicherungspflicht, Erfüllungsgehilfenhaftung, Mitverschulden
Gesetze:

 

§§ 1295 ff ABGB, § 1313a ABGB, § 1304 ABGB

 

GZ 1 Ob 158/16s, 27.09.2016

 

OGH: Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung die von der Klägerin in der Berufung begehrten Ersatzfeststellungen zugrunde. Entgegen dessen Rechtsansicht könnte aber auf dieser Tatsachengrundlage ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht nicht verneint werden. Sollte nämlich feststehen, dass das Paprikastück bereits auf dem Boden lag, als ein Kellner am Buffet vorbeiging, um dieses zu kontrollieren, und er es übersah und daher nicht entfernte, käme es nicht darauf an, ob das Gemüsestück schon länger auf dem Boden gelegen wäre. Hat nämlich ein Kellner ein gut erkennbares Paprikastück nicht entfernt, von dem er annehmen konnte, dass es auf einem die übliche Rutschfestigkeit aufweisenden Fliesenboden zu einer Gefahr für die Gäste des Frühstücksbuffets werden könnte, obwohl ihm dies zumutbar war, ist die Dauer, für die das Gemüse bereits am Boden lag, nicht maßgeblich. Vielmehr wäre der Mitarbeiter des Hotels verpflichtet gewesen, das Paprikastück aufzuheben und damit eine Gefahrensituation zu beseitigen. Diese mögliche und zumutbare Maßnahme der Gefahrenabwehr hätte der Kellner pflichtwidrig unterlassen, wenn er den erkennbaren grünen Paprikastreifen auf dem Fliesenboden nicht beseitigte. Damit läge aber ein Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht durch das Personal des Hotels vor, der über die Erfüllungsgehilfenhaftung der beklagten Reiseveranstalterin anzulasten wäre.

 

Sollte das Berufungsgericht nach inhaltlicher Behandlung der Beweisrüge und Beweiswiederholung zu den von der Klägerin gewünschten Feststellungen gelangen, wäre aber zu berücksichtigen, dass jeder Fußgänger beim Gehen „vor die Füße schauen“ und der einzuschlagenden Wegstrecke Aufmerksamkeit zuwenden muss. Dagegen hätte die Klägerin verstoßen, weil sie den Bodenverhältnissen vor ihrem Sturz keine Beachtung geschenkt hätte, obwohl sie – ebenso wie der Kellner – den grünen Paprikastreifen am Fliesenboden sehen hätte können. Beim Frühstücksbuffet herrschte kein besonderes Gedränge und sie hatte freie Sicht auf den Boden vor ihr. Dass mit einem am (hellen) Fliesenboden liegenden Stück grünen Paprika Rutschgefahr verbunden sein kann und deshalb erhöhte Aufmerksamkeit geboten gewesen wäre, ist offenkundig. In diesem Fall wäre gem § 1304 ABGB von einem gleichteiligen Verschulden der Klägerin und der Beklagten auszugehen.

 

Sollte das Berufungsgericht nach Erledigung der Beweisrüge der Beklagten die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen übernehmen, ist dessen Beurteilung, dass den Mitarbeitern des Hotels nicht zum Vorwurf gemacht werden könne, dass sie das Paprikastück nicht rechtzeitig entfernten, weil dieses erst kurz vor dem Sturz der Klägerin zu Boden gefallen sei, nicht zu beanstanden. Eine durchgehende Überprüfung und Reinigung des Bodens vor dem Frühstücksbuffet, die die sofortige Entfernung von jeglichen Essensresten vom Boden gewährleistet, wäre eine Überspannung der Sorgfaltspflichten eines Hotelbetreibers. Ausgehend von den erstinstanzlich getroffenen Feststellungen wäre unter Zugrundelegung des Sorgfaltsmaßstabs des § 347 UGB von keinem Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht auszugehen.

 

Ob das Klagebegehren teilweise berechtigt ist oder nicht, hängt daher davon ab, ob das Berufungsgericht die bekämpften erstgerichtlichen Feststellungen übernimmt oder nach Beweiswiederholung die von der Klägerin begehrten Ersatzfeststellungen trifft.