OGH: Zur Frage, ob das Befahren eines im Dienstbarkeitsvertrag als „Radweg“ zur Verfügung gestellten Wegs mit Segways eine unzulässige Erweiterung der eingeräumten Servitut ist
Im gegenständlichen Fall ist nicht erkennbar, dass Segway-Fahrten im Vergleich zur bloßen Nutzung mit konventionellen Fahrrädern für den Kläger mit einer Mehrbelastung verbunden wären, zumal die Beklagte die Instandhaltungspflicht für den Weg trifft; die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Benützung des Radwegs mittels Segways keine unzulässige Erweiterung der Servitut darstellt, ist somit im Lichte der bisherigen Rsp vertretbar
§§ 472 ff ABGB, § 484 ABGB
GZ 4 Ob 189/16x, 20.12.2016
OGH: Die Fragen des Ausmaßes bzw des Umfangs einer Dienstbarkeit und der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind einzelfallbezogen zu lösen.
Dem Rechtsmittelwerber ist beizupflichten, dass aus dem Umstand, dass nach § 2 Abs 1 Z 22 StVO iVm § 1 Abs 2a KFG idF der 20. StVO-Novelle (BGBl 92/1998) Segways nunmehr als Fahrräder qualifiziert werden, nicht ohne weiteres abgeleitet werden kann, dass die zuvor abgeschlossene vertragliche Vereinbarung aus 1991 auch Segway-Fahrten umfasst. Das Ausmaß der Dienstbarkeit und der Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse richten sich nämlich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist. Eine nachträgliche Gesetzesänderung kann dementsprechend für sich genommen noch nicht eine Ausweitung der Grenzen des vertraglich eingeräumten Dienstbarkeitsrechts bewirken. Dennoch ist die Auslegung des Dienstbarkeitsbestellungsvertrages aus 1991 durch die Vorinstanzen im Ergebnis als vertretbar nicht zu beanstanden.
Um unbillige Ergebnisse zu vermeiden, sieht die Rsp den Umfang des Servitutsrechts nämlich durchaus dynamisch. Dementsprechend ist eine Anpassung der Benützungsart durch den Servitutsberechtigten an die fortschreitende technische Entwicklung grundsätzlich zulässig. Während Segways im Zeitpunkt des Dienstbarkeitsbestellungsvertrages noch unbekannt waren, besteht mittlerweile doch ein Bedürfnis der Öffentlichkeit, solche Fahrzeuge auf öffentlichen Wegen zu nutzen.
Nach der Rsp sind Dienstbarkeitsrechte so auszulegen, dass dem Berechtigten der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet wird, weshalb eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit nur dann anzunehmen ist, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird. Die Art der Ausübung findet dementsprechend ihre Grenzen in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Grundstücks.
Der OGH hat dazu bereits ausgesprochen, dass etwa nicht ins Gewicht fällt, ob Fuhren mit Pferdefuhrwerk oder mit Lastkraftwagen und Traktor durchgeführt werden, wodurch der Eigentümer des herrschenden Gutes nicht gehalten ist, den landwirtschaftlichen Betrieb auf eine veraltete und unrationelle Weise zu führen.
Im gegenständlichen Fall ist nicht erkennbar, dass Segway-Fahrten im Vergleich zur bloßen Nutzung mit konventionellen Fahrrädern für den Kläger mit einer Mehrbelastung verbunden wären, zumal die Beklagte die Instandhaltungspflicht für den Weg trifft. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die Benützung des Radwegs mittels Segways keine unzulässige Erweiterung der Servitut darstellt, ist somit im Lichte der bisherigen Rsp vertretbar.